Ukraine warum greifen wir nicht ein?

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DeletedUser13650

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schottland ein land? wäre mir neu, ich dachte das land heist großbritanien und schottland ist nen teil davon, aber so kann man sich irren, aber ist wohl wie bayern und deutschland, mache sehen das auch als land an.

übrigens hat die eu bei andern "ländern" auch die unabhöängigkeit unterstützt obwohl die zu einem andern land gehörte, alös beispiel das kosovo, und jetzt wo sie unabhängig sind wollen sie wohl zu deutschland gehören, denn sie laufen wie die krimrussen in deinem beispiel alle zu uns ;)
 
1.Der Unterschied ist: Schottland ist ein LAND und die Krim nur ein TEIL eines Landes.Lassen wir doch die ganze Ukraine darüber abstimmen,denn erst dann wäre es legitim.

Wieso wurde dann nur in Schottland abgestimmt und nicht in Wales und Nordirland?

Außerdem wieso durften sich dann in den 90ern die Balten mit Gewalt von der UdSSR trennen?
Wieso war ein Abtrennen 1989 verboten aber 1990 erlaubt und 2014 wieder verboten. wird das Völkerrecht jedes Jahr neu verhandelt?
 
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Wieso wurde dann nur in Schottland abgestimmt und nicht in Wales und Nordirland?

Außerdem wieso durften sich dann in den 90ern die Balten mit Gewalt von der UdSSR trennen?
Wieso war ein Abtrennen 1989 verboten aber 199 erlaubt und 2014 wieder verboten. wird das Völkerrecht jedes Jahr neu verhandelt?

Du hast recht. Das ist schon ziemlich komplex alles.

Fangen wir doch mal bei Deiner ersten These an!

Außerdem wieso durften sich dann in den 90ern die Balten mit Gewalt von der UdSSR trennen?

Mir ist gar kein Krieg bekannt. Haste mal n paar Links, wo ich mir das anlesen kann? Wobei ich gleich einen Hinweis dazu haben: die UdSSR war die: Union der sowjetisch sozialisten Staaten gewesen. Aus einer Union muss man doch nicht mit Gewalt austreten, sondern man ist freiwillige dabei und kann daher auch freiwillig wieder austreten. Gegen wen wurde denn Gewalt ausgeübt?
 
1.Der Unterschied ist: Schottland ist ein LAND und die Krim nur ein TEIL eines Landes.Lassen wir doch die ganze Ukraine darüber abstimmen,denn erst dann wäre es legitim.

2.Wenn die Krimrussen zu Russland gehören wollen,dann können sie doch einfach über die Grenze tippeln und schon sind sie in Russland.Die Begründung:"Wir wollen zu Russland,dann nehmen wir die Krim doch einfach mit". ist inakzeptabel und illegitim

3.Die EU kann maulen,tun wird sie aber dagegen nichts.= Einfach Heiße Luft und pure Floskeln.

1. Wenn du die Nachrichten aufmerksam verfolgt hättest, wüsstest du, dass sich Schottland gegen die Unabhängigkeit entschieden hat!

2. Naja, du siehst ja welches Chaos es generell bei den von dir angesprochen "Grenzübergängen" gibt (Verteilung)

3. Das kommt drauf an wie man es sieht. Wenn du Militäraktionen meinst, warum auch? Einen Atomkrieg anfangen wegen einer Halbinsel? Die Sanktionen gegen Russland treffen zwar nicht Putin, aber das Volk.
 
Wer sprach von Krieg?
Aber Putsch, Gegenputsch, Wahlen mit 95% Beteiligung wo 85% für ja stimmten. Wem kommt das noch bekannt vor? ^^
Und auch da wurde nicht in allen Teilrepubliken abgestimmt. Komisch da war es erlaubt.

Na das warst Du, oder wie definierst Du "Gewalt"?

Auch das mit den Wahlen halte ich erst mal für nicht ungewöhnlich. Man kann ja frei wählen, ob man in einer Gemeinschaft bleiben möchte oder sie verlassen möchte. Und das jedes Mitgliedsland für sich selber. Ergo kann einer eine Regierungsentscheidung herbeiführen, und ein anderes Land lässt es bleiben.
Ein gutes Beispiel dazu ist z.Zt. die Griechen. Nur sie haben die Möglichkeit, die EU zu verlassen! Auch eine Gemeinschaft von mehreren Staaten zum Zwecke des Bildens eine Wirtschaftsunion!

Die Links fehlen mir aber immer noch, um mich da tiefer einzulesen!
 
1. Schottland ist ein eigenes Land (kein Staat!), mit eigenem Parlament (bis 1707 und wieder seit 1999), eigener Hauptstadt (durchgehend) und sie haben ihre eigene Währung (Das Schottisches Pfund. Mit englischen Pfund wird man in Schottland schief angesehen und wenn man in London mit Schottischen Pfund zahlen will, hält man es für Falschgeld). Ferner treten sie bei Sportveranstaltungen immer mit einer eigenen Nationalmannschaft an.
2. Wales hat, nach Auskunft eines Bekannten von mir aus Wales stammend, auf ein Referendum verzichtet.
3. Warum die Balten sich loslösen durften? Weil sie niemals beigetreten sind, sondern die Rote Armee nach dem Hitler-Stalin-Pakt (gilt ein solches Abkommen jetzt etwa als völkerrechtlich legal?) einfach einmarschiert ist, die Länder okkupiert und Hunderttausende von Menschen ermordet und deportiert hat. Das dann Lakaien von Stalins Gnaden den "Beitritt" verkündet haben, legalisiert den Vorgang nicht. Wenn jetzt der Hinweis kommt, dass sie vorher ja auch zu Russland der Zaren gehört haben, auch damals wurden sie erobert, bzw. im Zuge der Polnischen Teilung okkupiert. Beispielsweise Litauen hat eine Geschichte als Staat, die so alt ist wie das Moskowiter Fürstentum, das dann zu Russland wurde.
4. Und nein, die Ukraine ist nicht russisch, sie ist ukrainisch, mit eigener Sprache und Geschichte. Und wenn ich immer wieder lese, dass sie historisch russisch sei, dann hätten Litauen und Polen genauso starke historische Ansprüche auf die gesamte Westukraine und die Türkei hätte Ansprüche auf die Krim.
5. Russland hat die territoriale Unversehrtheit der Ukraine in den 90er Jahren vertraglich GARANTIERT, als Gegenleistung für die Rückführung der auf dem Gebiet der Ukraine lagernden Atomwaffen der ehem. UdSSR nach Russland. Eine Angliederung der Krim an Russland ist daher ein glatter Vertragsbruch.
 
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Nordirland, Wales, Gibraltar haben auch eine eigene Mannschaft, deswegen gehören sie immer noch zu GB.
Genauso wie auch Färöer-Inseln und Dänemark 2 Mannschaften haben aber 1 Land sind.
Bayern, Sachsen, Brandenburg haben ein eigenes Parlament, deswegen gehören sie trotzdem zu Deutschland.

Laut der Logik des Westen muss aber Wales mit abstimmen ob sich Schottland loslösen darf. Genauso wie auch England mit abstimmen muss.

Und die Ukraine hat die Selbständigkeit der Krim anerkannt, diese rückgängig machen ist glatter Vertragsbruch.
Genauso wie den Pachtvertrag zu kündigen weil man das als Diktatur geil findet.
 
Nordirland, Wales, Gibraltar haben auch eine eigene Mannschaft, deswegen gehören sie immer noch zu GB.
Genauso wie auch Färöer-Inseln und Dänemark 2 Mannschaften haben aber 1 Land sind.
Bayern, Sachsen, Brandenburg haben ein eigenes Parlament, deswegen gehören sie trotzdem zu Deutschland.
Da Staaten unterschiedliche Entstehungsgeschichten haben, sind die Beziehungen zu den Ländern die zu ihnen gehören auch unterschiedlich geregelt. Gibraltar z.B. ist ein Überseeterritorium des Vereinigten Königreichs. Mit eigener Regierung, die mit Ausnahme der Bereiche Verteidigung, Außenpolitik und innere Sicherheit, selbständig ist. Die Inseln "Isle of Man" und die Kanalinseln sind Kroneigentum. Dennoch übernimmt GB die außen- und sicherheitspolitische Vertretung dieser Inseln und die Gesetze von GB gelten auch auf den Inseln.
Die Färöer sind Teil des Staates "Königreich Dänemark", welches aus Dänemark, den Färöer und Grönland besteht. Während Dänemark Teil der EU ist, sind es die Faröer nicht und Grönland ist aus der EU ausgetreten.
Genauso wie auch Färöer-Inseln und Dänemark 2 Mannschaften haben aber 1 Land sind.
Falsch! Sie bilden einen Staat, sind aber nicht ein Land!

Zurück zur Ukraine. Die Ansicht, dass alles was zum Zaren-Russland, bzw. zur UdSSR gehörte, russisch sei, ist schlichtweg falsch. Das ist schlichtweg zaristische und stalinistische Propaganda. Andernfalls wäre Finnland immer noch Russland.

Selbstverständlich hat die Krim das Recht auf ihre Unabhängigkeit (Selbstbestimmungsrecht der Völker!), es kommt auch nicht auf das "ob" an, sondern auf das "wie"! Und wenn schlecht getarntes russisches Militär die Kasernen der ukrainischen Armee auf ukrainischem Staatsgebiet (Krim) umstellt, dann ist das eine militärische Okkupation und kein rechtsstaatlicher Vorgang!

Und wenn hier in verschiedenen Beiträgen durchklingt, das Russland ja nur der russischen Minderheit in der Ukraine zu Hilfe kam, in ihrem Bestreben nach Unabhängigkeit, warum durften dann die Tschetschenen nicht unabhängig werden? Sie bilden auch eine geschlossene Mehrheit in einem begrenzten Gebiet.
 

DeletedUser52196

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Das Krimreferendum war verfassungswidrig,jedoch nicht völkerrechtswidrig (offiziell)obwohl die Krim okkupiert wurde .
 
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Moribund

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übrigens hat die eu bei andern "ländern" auch die unabhöängigkeit unterstützt obwohl die zu einem andern land gehörte, alös beispiel das kosovo, und jetzt wo sie unabhängig sind wollen sie wohl zu deutschland gehören, denn sie laufen wie die krimrussen in deinem beispiel alle zu uns ;)


Naja, eventuell wird der Unterschied am augenfälligsten wenn Du Dir die beiden Sachverhalte (Kosovo <=> Krim) auf einer Zeitschiene visualisierst.

Die Sezession des Kosovo war der Beginn der letzten Phase (vorausgegangen war ein UN-mandatierter Einsatz) eines sehr langen Konfliktes in dem Menschen vernichtet wurden, am Ende stand die Eigenständigkeit, ein neuer Staat, nicht Teil der BRDeutschland. Die nicht UN-mandatierte Sezession auf der Krim stand am Beginn eines Konfliktes in dem Menschen vernichtet werden, die Krim ist faktisch ein Teil eines anderen Staates geworden, es handelt sich also hier um eine exterritoriale Enteignung.

Außerdem wieso durften sich dann in den 90ern die Balten mit Gewalt von der UdSSR trennen?
Wieso war ein Abtrennen 1989 verboten aber 199 erlaubt und 2014 wieder verboten. wird das Völkerrecht jedes Jahr neu verhandelt?

Auch hier der Umstand der Ereignisse: die baltischen Staaten existierten doch bereits.

Aber Putsch, Gegenputsch,
Und auch da wurde nicht in allen Teilrepubliken abgestimmt. Komisch da war es erlaubt.
Ich glaube ich muss da mal etwas klarstellen, sonst werden hier Sachverhalte kategorial ständig durcheinandergewürfelt. Es hat völkerrechtlich keine Relevanz wie eine Regierung "entstanden" ist, ob durch Dismembration oder durch einen Putsch (Staatsrecht). Völkerrechtlich entscheidend ist -u.a.- wie am Bsp. der autonomen Krim, welche völkerrechtlich Teil der Ukraine ist, ob die Sezession von Außen durch Gewalt- oder Gewaltandrohung (Völkerrecht/Gewaltverbot) durchgesetzt wird. Dieser (der Einsatz von Militär) wurde auch von auch von der Russischen Förderation nicht bestritten.
[...]Wahlen mit 95% Beteiligung wo 85% für ja stimmten. Wem kommt das noch bekannt vor? ^^
Mir, s. Referendum auf der Krim. So funktioniert das mit dem RT-Sprech auch nicht, man kann sich nicht die Rosinen herauspicken.
Und die Ukraine hat die Selbständigkeit der Krim anerkannt, diese rückgängig machen ist glatter Vertragsbruch.
Genauso wie den Pachtvertrag zu kündigen weil man das als Diktatur geil findet.
S.o., der Autonomiestatus der Krim steht doch gar nicht zur Debatte, - ein klassischer Strohmann den Du hier attakierst.
 
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Moribund

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Nachtrag...

Das Imperium der Lügen (Michail Schischkin)

Die Wahrheit abzustreiten, das hat in Russland nicht nur Tradition, sondern ist vielmehr Teil des Gesellschaftsvertrags. Auch deshalb wirkt der Westen im Ukrainekonflikt so hilflos.
Als Kinder lasen wir alle das Buch „Gelsomino im Lande der Lügner“ des Italieners Gianni Rodari. Darin kommt ein Junge in ein Land, das von einer Piratenbande eingenommen worden ist, die nun alle zum Lügen zwingt. Den Katzen wird befohlen zu bellen, den Hunden zu miauen. „Brot“ muss „Tinte“ genannt werden. Es ist nur Falschgeld im Umlauf, und die Einwohner werden über die Zeitung „Der musterhafte Lügner“ über die wichtigsten Nachrichten informiert.

Uns Kindern gefiel die Absurdität dieser Situation natürlich. Für die Erwachsenen lag das Geheimnis des unglaublichen Erfolgs dieses Buches allerdings darin, dass sie genau verstanden, über welches Land hier in Wirklichkeit geschrieben wurde. Orwell für Anfänger. Als die Kinder älter wurden, begriffen sie ebenfalls sehr schnell, dass sie in genau diesem Land lebten.

Die Lüge war allgegenwärtig. Die Zeitungen logen, das Fernsehen, die Lehrer. Der Staat betrog seine Bürger, die Bürger betrogen den Staat. So waren die allen verständlichen Spielregeln. Vom Kindergarten an gewöhnten wir uns daran.

Mit Plakaten überzeugte man die Bevölkerung, dass die „UdSSR – das Bollwerk des Friedens“ sei, und schickte gleichzeitig seine Panzer überallhin auf der Welt. Im Fernsehen berichtete man freudig über die Erfüllung der Fünfjahrespläne, doch die Regale in den Geschäften wurden fortwährend leerer und die Schlangen davor größer. Wir lebten in dem Land, „in dem der Sozialismus gesiegt“ hatte, in dem laut Gesetz alles dem Volk gehörte, doch in Wirklichkeit besaß das Volk nichts. Überhaupt gehörte niemandem etwas.

Katastrophen kamen nur im Westen vor


Wir lebten in diesem außergewöhnlichen Land voller Sklaven, in dem alle dem System gehörten. Diejenigen, die uns anführten, waren einfach die größten Sklaven. Niemand trug die Verantwortung für sein Land. Die Kolchose-Sklaven sind enteignet worden und ihnen war es egal, ob die Ernte heranwuchs oder nicht. Die Arbeiter-Sklaven soffen, und ihre Vorgesetzten schickten gefälschte Bilanzen ans Ministerium. Die regierenden Sklaven nahmen diese verdrehten Lügen als gültige Resultate in Empfang.

Über Jahrzehnte wurden eigene und fremde Leute angeschwindelt, und man störte sich nicht daran, dass niemand dem anderen glaubte. Unter dem erlogenen „Aufruf einer Gruppe von Genossen“ fiel man in die Tschechoslowakei ein. Man log, dass man uns nach Afghanistan eingeladen habe. Es wurde geschwindelt, wenn bei Flugzeugkatastrophen Fußball- oder Hockeymannschaften starben – denn solche Katastrophen kamen ja nur dort vor, im Westen. Die ganze Welt wurde angeschwindelt, als ein südkoreanisches Flugzeug abgeschossen worden war.

Chruschtschow wurde aus den offiziellen Bildern des Empfangs von Gagarin auf dem Roten Platz herausgeschnitten. Man log über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft, zu jedem Anlass, egal ob wichtig oder unwichtig.

Meine Mutter unterrichtete damals in der Schule, doch ich habe zu der Zeit natürlich noch nicht realisiert, wie schwierig die Gestaltung des Unterrichts für sie und alle Lehrer war: Sie standen vor einer unlösbaren Aufgabe – die Kinder zu lehren, die Wahrheit zu sagen, und sie gleichzeitig auf ein Leben im Land der Lügen vorzubereiten. Nach dem geschriebenen Gesetz sollte man immer die Wahrheit sagen, doch das ungeschriebene hieß: Wenn du die Wahrheit sagst, wirst du Kummer ernten.

Erziehung in der schwierigen Kunst des Überlebens


Sie lehrten uns Lügen, an die sie selbst nicht glaubten, weil sie uns liebten und uns retten wollten. Denn in unserem Land wurde mit Worten ein tödliches Spiel getrieben. Man musste die richtigen Worte aussprechen und die falschen verschweigen. Niemand zog diese Grenze offiziell, doch jeder spürte sie in sich. Die Dissidenten verstießen gegen diese Spielregeln – aufgrund ihres selbstmörderischen Verständnisses für Gefühle der persönlichen Wertschätzung (so lautete Solschenizyns berühmter Aufruf: „Nicht nach der Lüge leben“). Auch unerschrockene junge Leute verstießen dagegen – aus Dummheit.

Die Lehrer versuchten, diese wahrheitsliebenden Jugendlichen zu retten, indem sie ihnen eine belebende Dosis Furcht einimpften. War das im Moment ein bisschen schmerzhaft, so immunisierte es doch für das ganze folgende Leben. Vielleicht hatte man uns Chemie oder Englisch nur schlecht beigebracht, doch wir erhielten eine beispielhafte Erziehung in der schwierigen Kunst des Überlebens – das eine zu sagen, aber das andere zu denken und zu tun.

Diese Lüge darf keinesfalls als Sünde bezeichnet werden – in ihr konzentrierte sich die ganze Kraft der Vitalität, die Stärke der Überlebensgeister. Jeder, der geboren wurde, fand sich in diesem geschlossenen Kreis aus Lügen wieder. Doch warum? Wie konnte es so kommen? Ich kann mich erinnern, wie mich als Jugendlicher die einfache Erklärung überrascht hat, die ich dazu im Artikel „Das Paradox der Lüge“ gelesen habe, den der verbotene Philosoph Nikolai Berdjajew 1939 im Exil über die Diktaturen von Hitler und Stalin geschrieben hatte: „Die Menschen leben in Angst, und die Lüge ist ihre Waffe zur Verteidigung.“ Die Machthaber fürchteten sich vor ihrem eigenen Volk und logen deshalb. Und die Bevölkerung machte bei dieser Lüge mit, denn sie fürchtete sich wiederum vor der Macht.

Die Machthaber und ihr Volk hatten einen Gesellschaftsvertrag miteinander geschlossen: Wir wissen, dass wir lügen und dass ihr lügt und werden weiter lügen, um zu überleben. Mit diesem contrat social sind Generationen groß geworden.

Gefängnisstaat bricht in sich zusammen


Ich weiß noch, wie wir vom Reaktorunglück in Tschernobyl erfahren haben. Ich arbeitete damals an einer Schule. In der Pause rannte ein sichtlich erregter Physiker zu uns ins Lehrerzimmer, der von einem Bekannten hinter vorgehaltener Hand über die Katastrophe unterrichtet worden war. Ihm glaubten wir sofort. Er, und nicht die Regierung, sagte, man solle die Kinder in die Häuser holen.

Die offiziellen Kanäle schwiegen noch lange, und dann berichteten sie zwar über die Ereignisse, beschwichtigten aber gleichzeitig, es bestehe überhaupt keine Gefahr. Die Bevölkerung wusste bereits, was das bedeutete: Wenn sie sagten, es gebe keine Gefahr, dann stand es nicht gut.

Ein gespaltetes Bewusstsein – das eine zu sagen und etwas anderes zu denken und zu tun – machte die Wirklichkeit einer ganzen Nation aus. Wenn sich eine Lüge von sich selbst abschottet, wird sie fähig, eine neue Realität zu konstruieren. Diese Realität sind wir. Und alle wir Russen, die heute leben, kommen aus ihr. Sowohl Regierungsbefürworter wie auch Oppositionelle.

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts fand in Russland ein Wunder statt. Die obersten Sklaven starben einer nach dem anderen, und unser Gefängnisstaat brach einfach in sich zusammen. Von Mitte der achtziger bis zu Beginn der neunziger Jahre erhielt mein Volk die einzigartige Möglichkeit, sein Leben neu aufzubauen, eigene Entscheidungen zu treffen. 1991 befreiten wir uns zwar von der Kommunistischen Partei, doch von uns selbst konnten wir uns nicht befreien. Unser gewohnter Gesellschaftsvertrag blieb auch nach dem Zerfall der UdSSR in Kraft.

Demokratie - das bedeutete Chaos


Wir waren naiv. Alles erschien so einfach und offensichtlich: Unser Land ist von einer Bande von Kommunisten eingenommen worden, und wenn man die Partei verjagt, werden sich die Grenzen öffnen und uns eine Rückkehr ermöglichen in die Familie der Nationen, die nach den Gesetzen der Demokratie, der Freiheit und der Persönlichkeitsrechte leben. Die Worte klangen wie ein wunderbares Märchen über die unerreichbare Zukunft – Parlament, Republik, Verfassung, Wahlen.

Irgendwie dachten wir gar nicht daran, dass all diese Worte bei uns bereits Wirklichkeit waren – immerhin galt die Verfassung Stalins aus dem Jahr 1937 als „demokratischste Verfassung der Welt“ –, und auch an Wahlen nahmen wir regelmäßig teil. Wir vergaßen, dass alle guten Worte, wenn sie die Grenze zu unserem Heimatland überquerten, plötzlich eine ganz andere als ihre ursprüngliche Bedeutung annahmen.

Demokratie – das bedeutete Chaos. Parlament – ein Ruheposten für das Ganoventum. Brot – Tinte. Wer hätte damals gedacht, dass die Kommunistische Partei zwar verschwindet, wir aber dieselben bleiben – und mit uns auch all die guten Worte: Demokratie, Parlament und Verfassung wurden einfach zu Schlagstöcken im endlosen Kampf um Macht und Geld im neuen Russland.

Es erwies sich als unmöglich, die Wächter zu verjagen, denn jeder war sich selbst ein Wachposten. Wenn der Aufruhr im Sträflingslager nicht unterdrückt werden konnte, so hörte er irgendwie von selbst auf, und er endete einfach damit, dass die Leute in ihre Baracken zurückkehrten. Schließlich musste man weiterleben. Die Ordnung stellte sich von selbst wieder her. Die gleiche Ordnung wie früher – denn eine andere kannte dort niemand. Und wieder besetzten die Stärksten die besten Pritschen und drängten die Schwachen zum Abort.

Staatliche Mittel verschwinden in den Taschen der Beamten


Die kommunistische Lüge wandelte sich zu einer demokratischen. Die Leute wurden nun unter demokratischen Losungen ausgeraubt. Die Clique ehemaliger Partei- und Komsomolfunktionäre teilte alle natürlichen Ressourcen unter sich auf und beeilte sich, sie so schnell wie möglich ins Ausland zu verkaufen, um heute reich zu werden, ohne an die Zukunft des eigenen Landes zu denken. In diesem Licht sieht der unterdrückte, größte Teil der Bevölkerung heute die demokratischen Reformen der neunziger Jahre.

Denn hinter der Maskerade des 21. Jahrhunderts treten die ewigen russischen Konstanten überdeutlich hervor: ein Haufen Diebe, Beamte und Oligarchen, die den Reichtum des Landes an sich gerissen haben und keine Sekunde daran denken, mit der armen, versoffenen Bevölkerung zu teilen. Das Geld für die bald ausverkauften Bodenschätze fließt in den Westen und wird nicht in russische Straßen, Krankenhäuser oder Schulen investiert. Staatliche Mittel, die für soziale Zwecke zur Verfügung gestellt werden, kommen größtenteils nie an ihrem Bestimmungsort an, sondern verschwinden in den Taschen der Beamten.

Die Fingerabdrücke aus Lügen bleiben dieselben. So wie in der UdSSR schwindelt auch die russische Propaganda eine andere Realität vor. Die Automobilindustrie ist zusammengebrochen, die Flugzeugherstellung ebenfalls; Raketen werden zwar noch abgeschossen, doch sie stürzen regelmäßig ab; die Hälfte aller Nahrungsmittel wird importiert, Haushaltsgeräte kommen zu beinahe 100 Prozent aus dem Ausland. Das Land produziert praktisch nichts mehr, der Staatshaushalt gründet allein auf dem Verkauf von Öl und Gas, doch das Fernsehen erklärt der Bevölkerung, „Russland erhebe sich von den Knien“.

Putin begann seine Regentschaft sogleich mit Lügen. Als er den zweiten Tschetschenienkrieg vom Zaun brach, erklärte er gleichzeitig den Massenmedien den Krieg. Lügen umhüllten den Untergang des U-Bootes Kursk, Explosionen in Moskauer Wohnhäusern, die Tragödie in Beslan, die Geiselnahme und deren tödlichen Ausgang im Musicaltheater Nord-Ost.

Ungemütliche Suche nach der Wahrheit


Gleichzeitig mit der Zunahme der Lügen steigt die Popularität des Staatsführers. Lügen gibt es nur dort, wo man nach der Wahrheit sucht. Doch da, wo man nicht sucht, da gibt es auch keine Lügen. Allein nach der Wahrheit zu suchen, wird ungemütlich.

In Tolstois Roman „Anna Karenina“ fragt Levin einen Bauern: „Michajlitsch, was hältst du vom Krieg? Was findest du? Sollen wir für die Christen kämpfen?“ Die Antwort: „Was soll man da denken? Zar Alexander Nikolajewitsch denkt doch für uns, das hat er immer gemacht. Er kennt sich da besser aus.“

Dem Großteil der Russen erging es schlecht in der marktwirtschaftlichen Pseudodemokratie. Das sich satt gegessene Land wurde von Sehnsucht ergriffen. Generation für Generation hat man den Menschen alles weggenommen und ihnen zur Kompensation das stolze Gefühl vermittelt, Bürger eines riesigen, ruhmreichen Imperiums zu sein. Für sie wurde gedacht, für sie wurde entschieden, sie wurden geleitet. Eine solche Leere empfindet wohl ein aus dem Armeedienst entlassener Berufssoldat. Plötzlich muss man Verantwortung für sein eigenes Leben übernehmen, den eigenen Weg finden, selbst denken.

Die Menschen vermissten die Eindeutigkeit, die Ordnung, die Obrigkeit. Die russische Schwermut. Sehnsucht nach einem eindeutigen Weltbild. Nach der Unterteilung in eigen und fremd. Nach einem weisen väterlichen Anführer. Nach einem großen Sieg. Nach der Größe des Heimatlands. Die Propaganda keimt auf diesem gut vorbereiteten Boden.

Patriotismus als Sicherung der diktatorischen Macht


Die Fernsehbilder der Leiche Gaddafis waren für diejenigen, die mein Land in Geiselhaft genommen haben, ein Wink aus den Weiten des Weltalls. Hunderttausende Menschen, die sich mit den gefälschten Wahlen 2011 nicht abfinden wollten und sich auf den Plätzen Moskaus versammelten, zwangen den selbst ernannten Herrscher im Kreml zum Nachdenken. Der Sieg des Maidan und die würdelose Flucht von Wiktor Janukowitsch riefen Panik hervor und forderten sofortiges Handeln. Denn wenn die Ukrainer ihre Bande verjagen konnten, so könnte dies dem Brudervolk zweifellos als Beispiel dienen.

Als Erstes zog das Fernsehen in den Krieg. Das Medium zur Masseninformation wandelte sich in eine Massenvernichtungswaffe. Die Lüge ist die Verteidigungswaffe eines Regimes vor seinem Volk. Nun wurde ein von allen Diktaturen erprobtes Mittel herangezogen – ein äußerer Feind. Vor unseren Augen wandelten sich die Ukrainer zu „Ukrofaschisten“. So wurden die visionären Worte Churchills Wirklichkeit: „The fascists of the future will be called anti-fascists.“ Wieder wurden die Russen in einen Krieg gegen den Faschismus gerufen.

Zum x-ten Mal in der Geschichte beruft sich ein Diktator zur Sicherung seiner Macht auf den Patriotismus. Von den Fernsehbildschirmen hallt es nun hysterisch: „mächtiges Russland“, „wir erheben uns von den Knien“, „die Rückkehr der russischen Länder“, „die Verteidigung der russischen Sprache“, „das Sammeln der russischen Erde“, „wir retten die Welt vor dem Faschismus“. Und natürlich schreitet unser Führer ganz an der Spitze voran: Putin im Panzer, Putin im U-Boot, Putin im Flugzeug.

Abermals wird die Geschichte umgeschrieben, man lässt ihr nur noch kriegerische Siege und erkämpften Ruhm und unterstreicht die Losung des stalinistischen Gelehrten Michail Pokrowski: „Geschichte ist Politik, die sich der Vergangenheit zuwendet“ – und bei dieser Gelegenheit auch die Losung des totalitären Regimes in Orwells „1984“: „Wer die Gegenwart beherrscht, beherrscht auch die Vergangenheit, und wer die Vergangenheit beherrscht, der wird auch in Zukunft herrschen.“ In die Schulbücher wurde bereits ein Kapitel über die ruhmreiche Rückkehr der Krim eingefügt. Das folgende Kapitel muss noch geschrieben werden: Kiew kriecht wie ein verlorener Sohn in die offenen Arme der russischen Welt.

Krieg ist Krieg


Der Krieg mit der Ukraine passt vollständig in jenes Korsett aus Lügen, das ganzen Generationen vertraut ist. „Auf der Krim gibt es keine russischen Soldaten“, heißt es unverfroren. Den eigenen Leuten ist alles klar; der Gesellschaftsvertrag der Lüge behält seine Gültigkeit. Dann wird das Offensichtliche mit selbstzufriedenem Lächeln bestätigt: „Auf der Krim waren russische Truppen.“ Im Westen wundert man sich, wie man sein eigenes Volk so schamlos belügen kann. Doch die Bevölkerung nimmt das nicht als Lüge wahr. Krieg ist Krieg, wir verstehen doch alles, es geht darum, den Feind zu täuschen. Das ist kein Laster, sondern eine Tugend.

„In der Ukraine kämpfen keine russischen Soldaten.“ – „In der Ukraine gibt es keine russischen Panzer.“ – „Die Boeing wurde von Ukrainern abgeschossen.“

Das alles gab es schon oft, auch dass man über Leichen geht. Das sowjetische Radio übertrug einst folgende in Umlauf gebrachte Lüge: „Tass, die russische Nachrichtenagentur, teilt mit, dass sich kein sowjetischer Soldat auf dem Territorium Koreas befindet!“ So gab es auch keine sowjetischen Soldaten in Ägypten, in Algerien, im Jemen, in Syrien, in Angola, in Mosambik, in Äthiopien, in Kambodscha, in Bangladesch oder in Laos. Wenn sie das Glück hatten, am Leben geblieben zu sein und dann nach Hause kamen, wurde ihnen angeordnet: kein Wort!

Die Heimat verleugnete sie – erst in den neunziger Jahren erkannte man sie an und subsumierte sie als Teilnehmer kriegerischer Handlungen unter den Gesetzesparagrafen „Über die Veteranen“. In diesem Gesetz ist eine Aufzählung der „unsichtbaren Kriege“ aufgeführt, in denen unsere Soldaten und Offiziere gekämpft haben, deren Teilnahme jedoch kategorisch und grimmig von unseren Regierungen verneint wurde. Die zukünftigen Gesetzgeber werden auch die Ukraine in diese Liste aufnehmen müssen.

Putins Wählerschaft ist mit seinen Lügen einverstanden


Ich erinnere mich, dass der Mutter eines meiner Klassenkameraden, der in Afghanistan gefallen war, verboten wurde, auf dem Grabstein den Ort seines Todes anzugeben. Heute, wenn die „Fracht 200“ aus der Ukraine nach Russland kommt, wird den Angehörigen der in der Ukraine Gefallenen auch nicht erlaubt, ihre Geliebten öffentlich beizusetzen. Wieder werden in meiner Heimat Begräbnisse im Verborgenen durchgeführt.

Niemand glaubt an die massenweisen Infarkte und Gehirnschläge, die jene Soldaten aus einer Ecke bei Rostow getroffen haben sollen, als sie im Urlaub waren – alle verstehen alles. Und niemand verletzt den contrat social der Lüge. Der Vater eines Fallschirmjägers, der ohne Beine aus der Ukraine nach Russland zurückgekommen ist, hat auf Facebook geschrieben: „Mein Sohn ist Soldat, er hat seine Befehle ausgeführt, deshalb hat er, was auch immer mit ihm geschieht, richtig gehandelt, und ich bin stolz auf ihn.“

Wenn Putin seinem eigenen Land ins Gesicht schwindelt, wissen alle, dass er lügt, und er selbst weiß, dass es alle wissen. Doch seine Wählerschaft ist mit seinen Lügengeschichten einverstanden.

Wenn Putin den westlichen Politikern unverfroren ins Gesicht lügt, schaut er mit offensichtlichem Interesse und nicht ohne Spaß auf ihre Reaktionen, sonnt sich in ihrer Fassungslosigkeit und Hilflosigkeit. Zu solchen Lügen sind sie nicht bereit. Die westlichen Politiker schwindeln anders, im demokratischen Europa herrscht ein anderer Algorithmus der Lüge. So können sie beispielsweise nicht ihre Soldaten zum Sterben schicken und sich gleichzeitig von ihnen lossagen wie in Russland. Das würde ihre Wählerschaft niemals verstehen und verzeihen.

Wird Europa diesem Tsunami der Lügen etwas entgegensetzen können, oder wird es den Putinischen Gesellschaftsvertrag akzeptieren?

Man muss die Ukrofaschisten zerschlagen. In der Ukraine gibt es keine russischen Panzer. Brot – ist Tinte.
 
Um nochmals auf SchottLAND zurückzukommen: Ist es von der UN anerkannt? Nein! Zitat Wikipedia: Schottland ist ein Landesteil des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland..

Um mal auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker zurückzukommen, dass hat noch nie funktioniert und wird es auch an absehbarer Zukunft nicht. Kein Land wir freiwillig einen Teil davon abgeben.
 

Moribund

Gast
Um mal auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker zurückzukommen, dass hat noch nie funktioniert und wird es auch an absehbarer Zukunft nicht. Kein Land wir freiwillig einen Teil davon abgeben.

Das ist doch nicht richtig. Gerade die Sowjetunion hat diese Erfahrung machen müssen. Es gibt auch in jüngerer Geschichte solche Beispiele, die in Eigenstaatlichkeit mündeten.

Das Referendum in Schottland fand im Einvernehmen statt, es stand Spitz auf Knopf.
 
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Das mit Schottland stimmt! Aber nehmen wir mal Asien und Afrika als Beispiel her. Dort ist es nahezu unmöglich. Und auch bei uns Europa gibt es in Spanien und Italien sehr wenig Zuspruch dafür.
 

Moribund

Gast
Etwas Grundsätzliches meinerseits: ich stehe solchen Bestrebungen eher skeptisch gegenüber, ich halte diese für gefährlich (Nationalismus/Kriege). Nichtsdestoweniger muss "ich" sie zur Kenntnis nehmen, wie im Fall der Sowjetunion (s.o. Dismembration).

Das mit Schottland stimmt! Aber nehmen wir mal Asien und Afrika als Beispiel her. Dort ist es nahezu unmöglich. Und auch bei uns Europa gibt es in Spanien und Italien sehr wenig Zuspruch dafür.
Auch hier, am Bsp. Taiwan/Volkrepublik China (Asien), von Eritrea/Äthiopien (Afrika), Sudan/Südsudan (Afrika), oder Tschechoslowakei/Tschechien, Slowakei (Europa), ob "Zuspruch" oder nicht, die Staaten existieren.
 
Um nochmals auf SchottLAND zurückzukommen: Ist es von der UN anerkannt? Nein! Zitat Wikipedia: Schottland ist ein Landesteil des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland..
Eben, ein Land, kein Staat.

Und wo Du von der Anerkennung durch die UN sprichst: die Ukraine ist Gründungsmitglied der UNO, beigetreten am 24. Oktober 1945, genauso wie Weissrussland (damals Beide noch mit SSR am Ende). Waren sie jetzt durch die UN anerkannte SELBSTÄNDIGE Staaten? Eigentlich wollte Stalin ja 16 Stimmen, für jede Teilrepublik eine. Man handelte ihn runter.
Realität und Politik können wirklich sehr befremdlich sein.

Tscheschien und die Slowakei sind das beste Beispiel dafür, wie es funktionieren kann, auch ohne Soldaten neben den Wahlurnen.

Man muss sich einfach klar machen, dass die meisten Grenzen auf dieser Welt willkürlich gezogen wurden. Die UdSSR ist ein Musterbeispiel, wieso Länder zerfallen. Die meisten Teilrepubliken wurden irgendwann erobert, einem Zentralismus untergeordnet der ihnen keinerlei Selbständigkeit lies. Man versuchte sie zwangsweise zu russifizieren (schon in der Zarenzeit), überzog sie mit Terror, indem man Menschen in Massen umbrachte, hin und her deportierte und dann wundert man sich, das sie sich bei der ersten Gelegenheit selbständig machen.
Die Tendenz zum Zerfall von Staaten besteht überall dort wo ein Zentralstaat keine Rücksicht auf die ethnischen, kulturellen und sonstigen Eigenheiten seiner Teile nimmt, oder sie als zweitrangig betrachtet.

Was Putin mit der Krim angefangen hat, ist das Spielen mit Streichhölzern in einem mit Pulver gefülltem Raum. Fast jedes Land hat nationale Minderheiten, wenn man da zündelt, dann fliegt der Laden auseinander und die Geister die man rief, wird man nicht mehr los. Wie das ausarten kann, haben wir 10 Jahre in Ex-Jugoslawien erlebt. Gerade Russland, als Vielvölkerstaat, sollte da aufpassen.
 

DeletedUser51906

Gast
Naja, eventuell wird der Unterschied am augenfälligsten wenn Du Dir die beiden Sachverhalte (Kosovo <=> Krim) auf einer Zeitschiene visualisierst.

Die Sezession des Kosovo war der Beginn der letzten Phase (vorausgegangen war ein UN-mandatierter Einsatz) eines sehr langen Konfliktes in dem Menschen vernichtet wurden, am Ende stand die Eigenständigkeit, ein neuer Staat, nicht Teil der BRDeutschland. Die nicht UN-mandatierte Sezession auf der Krim stand am Beginn eines Konfliktes in dem Menschen vernichtet werden, die Krim ist faktisch ein Teil eines anderen Staates geworden, es handelt sich also hier um eine exterritoriale Enteignung.
Sachverhalte visualisieren?
Nette Beschreibung davon wie man einen zeitlichen Ablauf so verändert, bzw. Fakten weglässt bis es irgendwie passend ist und dem westlich aufgedrückten Mainstream in den Kram passt!

Im Kosovo "regiert" lediglich ein de-facto Regime welches dazu selber einräumt Teile des Territoriums nicht zu kontrollieren oder kontrollieren zu können. Eine Unabhängigkeit wurde proklammiert und von 109 UN-Mitgliedstaaten anerkannt! 84 UN-Mitgliedstaaten erkennen den Kosovo jedoch eben nicht als unabhängig an. Wie ich finde eine "Kleinigkeit" die immer wieder (absichtlich) verschwiegen wird. Der Status des Kosovo ist ebenfalls nicht eindeutig geklärt, nichtmal der IGH ist diesbezüglich zu einer eindeutigen oder gar endgültigen Formulierung gekommen.
Desweiteren stand am Anfang des Konfliktes im Kosovo ein völkerrechtswidriges militärisches Eingreifen der NATO, welches sich, "oh Wunder" ausschließlich gegen das agieren jugoslawischer Sicherheitskräfte/regulärer Streitkräfte gerichtet hat (im Verlauf wurde auch sehr nachhaltig die Infrastruktur zerstört).
Begründet wurde das Eingreifen mit einem Schutz von Zivilisten welche offenbar bürgerkriegsähnlichen Zuständen "schutzlos" ausgeliefert waren und/oder ethnische Säuberungen befürchtet wurden. Dass seitens der kosovarischen UCK mindestens genauso viel Greueltaten an Serben vollzogen wurde hat man seitens der NATO bewusst ausgeblendet, militärisches, wie auch politisches Ziel war es ausschließlich, Jugoslawien zu destabilisieren!
Und erst als auch vermehrt Greueltaten der UCK den Weg in die Medien fanden, erst als ein tatsächlicher Bürgerkrieg im vollen Gange war und man bei der Masse an Massakern selbst hier im "Westen" nicht mehr in der Lage war, gut von böse zu unterscheiden, als ein Land zerbombt und in mehrfacher Hinsicht gespalten war haben vor allem die USA auf ein eingreifen seitens der UN gedrängt!
Grundlage des Mandats ist eine Resolution die u.a eindeutig und unmissverständlich die Souveränität und territoriale Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien, als auch dessen Nachfolgestaaten festlegt, ein Kosovo allein schon aufgrund dieser Resolution nicht eigenständig im Sinne eines Staates sein kann!
Was jedoch nicht mit einschliesst das ein Volksentscheid zur Unabhängigkeit völkerrechtswidrig ist! Doch um die Frage ob Völkerrecht verletzt wurde oder nicht geht es auch nicht, weder im Kosovo noch auf der Krim.
Es geht um ein Selbstbestimmungsrecht einer ethnischen Mehrheit in einem autonomen Territorium, und nimmt man diese Begründung des IGH für die Feststellung das ein Volksentscheid im Kosovo nicht völkerrechtswidrig war als Grundlage, dann ist auch ein Volksentscheid auf der Krim als solches zu akzeptieren, bzw. zu respektieren!

Doch leider wird stets und überall mit zweierlei Maß gemessen. Was zum "Wohle" des Westens ist darf noch lange nicht der immernoch böse Osten! Dieses, und kein anderes Denken sitzt nach wie vor in den Köpfen Derer die mit allem nichts zu tun haben und lediglich geostrategische Ziele im Blick haben. Nicht die Menschen haben etwas zu melden, zu melden haben nur die Macher etwas!
Es ist im übrigen eine "nette" Retourkutsche: U.a auch Russland erkennt die Eigenständigkeit des Kosovo nicht an, so wie im Gegenzug ein Westen der Wille oder Wunsch einer ethnischen Mehrheit eines autonomen Gebietes gelinde gesagt am Hintern vorbei geht.

Eine Krim-Krise gibt oder gab es nie, es gab und gibt nur eine Krise der Ideologien, der Blockaden im Kopf als auch ein stetes Ringen um mehr Macht!
Im übrigen verhält sich der Westen (einschließlich USA) seit dem Ende der UdSSR wie eine Kolonialmacht. Und das Streben nach "mehr" kennt eben keine Grenzen. "Wir" fordern von anderen Staaten den Einhalt der Souveränität und der territorialen Integrität, doch sind es wir selber die keine Gelegenheit auslassen Staaten zu destabilisieren, Meinungen und Entscheidungen zu beeinflussen, Konsequenzen anzudrohen (geschehen beim schweizer Volksentscheid zur Zuwanderung), Staaten faktisch zu erpressen (Griechenland, Privatisierung der staatseigenen Sahnestückchen), und gar Regierungen/Staatsoberhäupter zu stürzen!

Ich glaube ich muss da mal etwas klarstellen, sonst werden hier Sachverhalte kategorial ständig durcheinandergewürfelt. Es hat völkerrechtlich keine Relevanz wie eine Regierung "entstanden" ist, ob durch Dismembration oder durch einen Putsch (Staatsrecht). Völkerrechtlich entscheidend ist -u.a.- wie am Bsp. der autonomen Krim, welche völkerrechtlich Teil der Ukraine ist, ob die Sezession von Außen durch Gewalt- oder Gewaltandrohung (Völkerrecht/Gewaltverbot) durchgesetzt wird. Dieser (der Einsatz von Militär) wurde auch von auch von der Russischen Förderation nicht bestritten.
Wenn du meinst etwas klarstellen zu müssen dann bitte auch richtig darstellen und unvoreingenommen!

Völkerrechtlich ist es sehr wohl relevant wie eine Regierung "ausser Kraft gesetzt wurde"! Besonders wenn Einflüsse von aussen anzunehmen sind, Grund für einen Sturz waren. Im Falle der Ukraine wäre das sicherlich sehr interessant, nur teile ich die Meinung von Rechtsexperten dass niemand der aktuellen Regierung in Kiew jemals einen Teil zur Aufklärung der Geschehnisse rund um den Maidan jemals beitragen wird. Vermutungen dass beispielsweise die CIA eng mit den Ereignissen zu tun hat liegen auf der Hand, Fakten wonach eine ukrainische Übergangsregierung 80 Mio. Dollar von den USA erhalten haben zur "Sicherung" demokratischer Wahlen sind nachlesbar.
Am Wahltag sicherten bewaffnete Bürgermilizen die Wahllokale, zuvor haben eben solche bewaffneten "Beschützer" Mitglieder der kommunistischen Partei der Ukraine daran gehindert das Parlamentsgebäude zu betreten!
Anzunehmen dass in einem korrupten Land mit korrupten machtverliebten Oligarchen und durchgeknallten "Nationalisten" ein Oligarch von der Mehrheit des einfachen Volkes gewählt wird grenzt geradezu an Wunschdenken oder gewollter Ignoranz!

So gesehen ähnelt ein Volksentscheid auf der Krim doch sehr den Ereignissen die begleitende Umstände einer Wahl des ukrainischen Präsidenten waren.
Auch ein Herr Putin hat den Einsatz "seines" Militärs (beim Volksentscheid) damit begründet den Wahlvorgang sicherzustellen!
Während man hierzulande den Einsatz einer bewaffneten Miliz bei einer "demokratischen" Wahl in der Ukraine keine Beachtung schenkt, wird bei gleichem Vorgehen pro-russischer Milizen ein Fass aufgemacht und jede demokratische Wahl faktisch ausgeschlossen oder zumindest angezweifelt!
Wiederum: Zweierlei Maß!!

Noch etwas zur "Annektion": Die Definierung der "Androhung oder Anwendung" von Gewalt vorausgesetzt ist es nach wie vor fast unmöglich zu beweisen dass dieser Vorgang maßgeblich für einen Willen einer ethnischen Mehrheit war Diesen in irgendeiner Art und Weise zu beeinflussen!
Historisch betrachtet hatte Kiew schon von jeher "Probleme" mit den Bewohnern der Krim! Meiner Ansicht nach war der Wille zu einem Volksentscheid ab dem Augenblick mehr als eine Fiktion als ein gewählter Präsident vom Mob gestürzt wurde, und der Westen zu sehr Einfluss auf die inneren Angelegenheiten der Ukraine genommen hat (sicher spielten auch manch ukrainische "Nationalisten" hierbei eine entscheidene Rolle).
Berücksichtigt man die Wahrung der Interessen der auf der Krim lebenden Russen, so war ein militärisches Eingreifen seitens Russlands im übrigen auch relativ legitim! "Relativ" steht dabei auf genau den gleichen Füssen wie ein massiver Einsatz von Militär zur Sicherung jüdischer Siedler im Westjordanland, oder wie der Einsatz von Militär, dem Verletzen von Hoheitsgebieten durch US-Truppen immer dann und dort wo Amerikaner geschützt oder ausgeflogen werden mussten (die Liste ist lang, zu lang)!

Sich jedesmal auf´s Völkerrecht zu berufen, jedenfalls dann wenn es einem in den Kram passt ist auch ein sehr zweischneidiges Schwert! Kaum ein Land hat öfters das Völkerrecht verletzt oder ignoriert als die USA (ok, Israel ist fast gleichauf), und dabei sind hunderttausende Menschen getötet worden.
Dann steht eine eventuelle Völkerrechtsverletzung durch Russland im Raum bei dem im Falle der Krim es kaum zu miltärischer Gewalt gekommen ist und die "Welt" (der Westen) schreit nach Völkerrecht!
Ich finde diese doppelte Moral nur noch zum kotzen, und mir geht dieses Gehabe von Weltpolizei oder der "gute Westen" tierisch auf die Senkel!
Man sollte vielleicht einfach mal akzeptieren dass eine ethnische Mehrheit eine Entscheidung getroffen hat, welche sicherlich nachvollziehbarer ist als vieles andere was so in den letzten 100 Jahren passiert ist!

Gerade die USA sollten ansich Russland und die Russen auf der Krim gut verstehen können, haben die "alten" Amerikaner (gleiche Verfassung wie jetzt) ihren Landsleuten, der Mehrheit in Texas, einst den gleichen "Gefallen" getan!
Und selbst wenn es irgendwelchen Bewohnern nicht passte hat dies eine USA auch nicht interessiert. Beispiel Hawaii oder ein Teil Kubas!

Jedenfalls haben der Kosovo und die Krim mehr gemeinsam als hier zu unterscheiden versucht wurde! Als dritten Part könnte oder sollte man vielleicht auch noch Palästina mit benennen! Obwohl das sicherlich den Rahmen hier sprengen würde!

Alles aber natürlich eine Sache der Sichtweise, oder eben der eingepflanzten Ideologie!
 

Moribund

Gast
Eventuell lohnt es sich diese Thematik mit einer anderen Herangehensweise zu betrachten, auch wenn es schwerfällt, emotionsloser, mit weniger Konzentration auf den Autor.
Ein guter Freund hat in Form und Stil (s.o.) ähnliche Eindrücke bei diesem Thema sammeln dürfen, nachdem er einen Offenen Brief zur Diskussion stellte. Hernach wird die Position (Sympathie <=> Antipathie) teils mit Aggression vertreten. Man deutet auf die Verfehlungen der einen Seite (Antipathie), räumt damit unfreiwillig (?) die Verfehlungen der eigenen Seite (Sympathie) ein. Hier (s.u. Link) dargestellt in einer Studie (Dämonisierung/Delegitimisierung/Doppelte Standards) weil es öfters und gerade wieder (s.o.) thematisiert wurde, Erklärungen zu Widersprüchen. Wie können aber hier, aktuell, die Widersprüche, die Affinität zwischen Unrecht und Sympathie erklärt werden (Frage 1))? Kann man "den" Medien des "Westens" wirklich eine einseitige Berichterstattung und Fokussierung in diesem Zusammenhang vorwerfen? Von einer Vernachlässigung der Kontrollpflicht kann doch angesichts der Affären (z.B. NSA, Bundeswehr...,"Landesverrat") nicht die Rede sein. Woher kommt also diese reflexartige Abwehr und Immunisierung von Kritik ( Frage 2))?

Als 'Aufhänger' ein Beitrag von Jochen Bittner (Zeit):
Die ostdeutsche Sympathie für Putin

Woher kommt die deutsch-deutsche Entfremdung in der Russland-Ukraine-Krise? Gerade die Sympathie ehemaliger DDR-Bürger müsste doch den Maidan-Demonstranten gehören.
Ich weiß natürlich nicht, für wie viele Ostdeutsche eine Leserbriefschreiberin gestern in der*Frankfurter Allgemeinen Zeitung*spricht, aber es würde mich wirklich interessieren. "Die Sympathie vieler Ostdeutscher für Putin", schreibt die Frau aus Meißen, "resultiert nicht daraus, dass sie kein Gefühl für Freiheit und Demokratie haben, sondern daraus, dass sie dieses Gefühl wegen ihrer traumatischen Erfahrungen besonders stark haben."*
Als ein Beispiel von Freiheit und Demokratie nennt sie die "Wiedervereinigung" der Krim mit Russland, für die immerhin 96,8 Prozent der Krimbewohner gestimmt hätten. "Die Wiedervereinigung der Russen war demokratischer als die unsrige, es war keine Annexion." Die Ostdeutschen seien nicht gegen den Westen, sondern lediglich gegen "Selbstgerechtigkeit und einseitige Sichtweisen, gleich, ob in Ost oder West".
Es gibt eine Menge (nur nicht, aber besonders) ostdeutsche Wut in letzter Zeit, die mit der Vermutung selbstgerechter Sichtweisen zu tun hat. Die neuen Montagsdemonstrationen. Pediga-Aufmärsche. Flammende Kritik an "Mainstream"-Medien. Wachsendes Misstrauen gegen politische Eliten, insbesondere wegen angeblicher "Kriegshetze" gegen Russland.
Als Journalist fragt man sich gelegentlich, ob man tatsächlich an den Empfangsfrequenzen vieler Ostdeutscher vorbei sendet, und woran das liegt. Einen wütenden Leser, der sein ZEIT-Abo kündigen wollte, rief ich an, um zu erfahren, was ihn denn eigentlich so auf die Palme bringe. Er sei, antwortete er mir durchaus leidenschaftlich, doch nicht 1989 auf die Straße gegangen, um jetzt schon wieder mit einer völlig einseitigen Weltsicht berieselt zu werden. Als Ostdeutscher habe er nun einmal eine "besondere Antenne" dafür, wann Medien und Politiker begännen, "gleichgeschaltet" zu reden.
Zu dem Eindruck, Medien und Politik unterlägen gegenüber Russland einer grundsätzlichen Fehleinschätzung, trägt sicher auch die Tatsache bei, dass in den vergangenen 25 Jahren viele (westdeutsche) Journalisten zu wenig Gespür für die Biografien und das Lebensgefühl ihrer (ostdeutschen) Leser mitgebracht haben. Wenn die Gegenwartsanalyse dieser Schreiberlinge schon für die Post-DDR danebenging, warum sollte sie heute für die Post-Sowjetunionen treffsicherer ausfallen?
Gute Frage. Aber mit dieser Ableitung alleine, ist, denke ich, die deutsch-deutsche Entfremdung, die wir gerade über die Russland-Ukraine-Krise erleben, nicht zu erklären.
Putin setzt genau auf diese Gleichsetzung des Ungleichen.
Gegenfrage: Ist es möglich, dass viele Ostdeutsche gerade zwei Dinge verwechseln? Skepsis gegen Dogmen, Ideologien und bequemen Gewissheiten ist immer gut, egal, ob die von links, rechts oder aus der Mitte kommen. Man sollte diese Skepsis allerdings nicht durcheinanderbringen mit der Infragestellung von vitalen gesellschaftlichen Errungenschaften und hart erkämpften Rechts- und Wertegrundsätzen. Genau auf diese Gleichsetzung des Ungleichen setzt Putin. Er ist ein geschickter Alles-Relativierer, der westliche Überzeugungen als ebenso willkürliche Konstrukte verkauft wie andere Gesellschaftsideen. Das sind sie aber nicht. Die durch nur eine antagonistische Lehre entstandene Weltsicht eines Honecker ist eben keineswegs vergleichbar mit den durch viele Lehren gewonnenen Positionen eines demokratisch sozialisierten Politikers, auch wenn beide ihre Positionen mit Verve vertreten.
Ja, absolut, zu Demokratie und Freiheitlichkeit gehört es, die eigene Position immer und immer wieder zu prüfen, am besten entlang der jeweils stärksten Argumente der Gegenseite. Aber zu dieser Prüfung gehört am Ende eben auch, nicht jede Relativierung mitzumachen - etwa die von Grundrechten, demokratischen Verfassungen oder völkerrechtlichen Garantien. Genau darin besteht der Unterschied zwischen Skepsis und Verunsicherung. Anders gesagt, in den Worten des Pulitzer-Preisträgers David Johnston: "Wenn jemand behauptet, die Erde sei eine Scheibe, dann kann das Fazit nicht sein, dass die Form der Erde nach wie vor umstritten ist."
Deswegen hat mein Verständnis für die derzeitige Medien- und Politikwahrnehmung "vieler Ostdeutscher" (Leserbrief-Autorin) offen gesagt Grenzen. Warum gehört die Sympathie gerade ehemaliger DDR-Bürger nicht viel deutlicher den Maidan-Demonstranten, die tatsächlich für etwas sehr Ähnliches gekämpft haben, für das auch die 89er auf die Straße gegangen sind: Den Sturz eines selbstverliebten, egoistischen, korrupten Regimes, das ein Land ausplünderte? Warum entschuldigen sie die Völkerrechtsbrüche Putins mit der Tatsache, dass auch die Vereinigten Staaten das Völkerrecht verletzten? Warum bringt sie die Medien-Steuerung und die Propaganda des Kreml, die ganz nach Kalter-Kriegs-Mustern abläuft, nicht auf die Palme? Wie wütend wären sie gewesen, wenn Gorbatschow die Montagsdemonstranten 1989 als "Faschisten" verunglimpft hätte? Wo bleibt die Solidarität mit denen, die heute auf diese Weise diffamiert werden?
Sie, liebe Leserbrief-Autorin, vergessen etwas Wesentliches, wenn Sie sagen, die "Wiedervereinigung" der Krim mit Russland gehe in Ordnung, weil Russland nicht an die ukrainische Verfassung gebunden sei. Auch Russland ist ans Völkerrecht gebunden. Und das verbietet den Raub von Territorium aus fremden Staaten. Und das ist keine willkürliche Norm, sondern die Jahrhunderte alte Lehre aus einem 30-jährigen Krieg, in dem Europa sich einmal fast gegenseitig aufgefressen hätte.

Der Cicero (Moritz Schuller) ein anderes Mainstream-Organ, dazu:
Die Putin-Versteher verteidigen eine Politik, die sie angesichts der deutschen Vergangenheit ablehnen sollten. So hat Putin in der Krim-Krise aus zu vielen Deutschen Revanchisten in eigener Sache gemacht
Die Krim-Krise war der Test, auf den sich die Deutschen in jahrzehntelanger antifaschistischer Kleinarbeit vorbereitet hatten. Ein Autokrat verleibt sich in Europa mithilfe von völkischen Argumenten militärisch einen Teil des Nachbarlandes ein – ist das gut oder schlecht? Jeder Erstklässler, ob links oder rechts, sollte da eigentlich die Hand heben können, und doch fällt vielen in Deutschland die Antwort darauf erstaunlich schwer.
Weil das kulturelle Band zwischen Deutschland und Russland so stark ist? Weil Tschechow in Badenweiler gestorben ist und Dostojewski in Baden-Baden so viel Geld verspielt hat? Weil die Russen dem Theaterregisseur Peter Stein schon 1978, „mit mehr oder weniger Wodka im Blut“, großherzig Königsberg angeboten haben?
Nein, weil Wladimir Putin die Deutschen dort erwischt hat, wo sie offenbar noch immer verwundbar sind: bei ihrer eigenen Vergangenheit.
Deutsche Sympathien für einen Führer.
In seiner Rede nach der Krim- Übernahme richtete sich Putin direkt an die Deutschen, mit dem Argument, dass doch gerade sie Verständnis für eine solche völkische Wiedervereinigung haben müssten. Das klang nach 1990, doch die historische Analogie waren die 1930er Jahre, als Deutschland nicht friedlich, sondern militärisch seine Volksgenossen einzusammeln begann. „Ich mache doch nichts anderes als ihr“, lautete Putins Botschaft an die Deutschen. Und diese Botschaft ist angekommen. „Putin hat hundertmal recht auf der Krim“, sagt*Peter Scholl-Latour, und Peter Gauweiler von der CSU sagt: „Wenn Deutschland und Russland gute Beziehungen hatten, dann war das immer gut für Europa.“ Darüber denken unsere Nachbarn, die sich noch an den Hitler-Stalin-Pakt erinnern können, etwas anders.
Auch in den USA oder in England gibt es Verständnis für Putin und Verteidiger seines Vorgehens. Doch nur an Deutschland hat er einen solchen Verständnispakt herangetragen – und nur hier existiert die dazugehörige historische Folie. Wladimir Putin verführt die Deutschen dazu, machtpolitische Sympathien für einen Führer zu hegen, der ein gedemütigtes Volk aus dem Chaos und der Armut der Jelzin-Jahre wieder zu alter Größe emporführt. Er verführt sie, sich als Anti-Westler einzureihen und im Chor mit Moskau den Amerikanern und Engländern ihren Kapitalismus und ihre Völkerrechtsverlogenheit endlich einmal um die Ohren zu schlagen. Für den russischen Präsidenten distanziert sich ein ehemaliger deutscher Kanzler sogar von seiner eigenen Politik im Kosovo.
Russland lebt in einem asymmetrischen Geschichtsbild.
Putin schafft es, dass viele in Deutschland plötzlich verteidigen, was sie an ihrer Vergangenheit niemals zu verteidigen gewagt hätten: dass nämlich schon einmal ein Volk, gedemütigt durch Versailles, nach dem Chaos und der Armut der Weimarer Republik, einfach nur seine Volksgenossen heim ins Reich geholt hat. Putins Angebot war infam, weil es den Deutschen ein ungebrochenes Verhältnis zu ihrer Vergangenheit unterstellte. Infam, weil dadurch seine Verteidiger, von Gauweiler bis Wagenknecht, zu Verteidigern einer Politik werden mussten, die sie angesichts der deutschen Vergangenheit fundamental ablehnen sollten. In der Krim-Krise hat Putin aus zu vielen Deutschen Revanchisten in eigener Sache gemacht.
Es ist vielleicht nicht erstaunlich, dass das Mammut Russland nach Jahren im sowjetischen Eis noch immer in längst vergangenen politischen Kategorien denkt und historische Rechnungen begleichen will, für die es keine Schuldner mehr gibt. Russland lebt, wie im vergangenen Jahrzehnt auch noch Polen, mit einem asymmetrischen Geschichtsbild.
Eigentlich sollten die antifaschistischen Alarmanlagen aufschrillen.
Erstaunlich ist vielmehr, dass es in Deutschland, weltweit gepriesen für den Umgang mit der eigenen Geschichte, für diese Haltung so viele Ansprechpartner gibt. Dass nach all den Jahren der Auseinandersetzung mit dem „Dritten Reich“ die vermeintliche Identifikation von Volk und Führer in Russland so unkritisch übernommen wird; dass die demokratische Schwäche des Landes und seiner Institutionen nicht ausreichend Anlass ist, Putin zu misstrauen; dass die heroisierende Inszenierung einer Führungsfigur nicht bereits alle antifaschistischen Alarmanlagen in Deutschland aufschrillen lässt; dass die Bereitschaft, sich auf das Weltbild des Autokraten Putin einzulassen, so groß ist, ebenso groß, wie die Bereitschaft, sich vom Westen zu distanzieren.
Putin hat den Deutschen das Angebot gemacht, anders auf ihre Vergangenheit zu blicken. Es ist erschreckend, wie viele plötzlich nicht einmal die einfachen Fragen zur eigenen Geschichte beantworten können.


http://jcpa.org/phas/phas-sharansky-s05.htm
 
Jochen Bittner, ist das nicht derjenige der gerne Meinungsfreiheit mit Füßen tritt und dafür Anwälte einschaltet?

So einen kann nur jemand ernstnehmen der die falschen Medikamente nimmt.
 
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