Liberalismus

Karl.

Gast
Das ist lächerlich: "Freiheit" ist zunächst ein Wort und wir alle sind frei, es zu definieren, wie immer wir wollen. Ich unterscheide in meiner Definition zwischen einer "bürgerlichen Definition von Freiheit" und einer "revolutionären definition von Freiheit" und das einzige, was du dagegen einwenden kannst, wäre, daß eine solche Unterscheidung nicht zweckdienlich für den Erkenntnisgewinn sei. Dafür hast du bisher lediglich ein paar Behauptungen gebracht, aber keinerlei Argument. Du kannst, wenn du den Begriff "Freiheit" definierst, gerne eine andere Definition als ich verwenden. Du solltest lediglich klarlegen, worin der Vorteil deiner Definition gegenüber meiner besteht, genauso wie ich Argumente dafür gebracht habe, warum ich Freiheit so und nicht anders definiert habe.
Natoll. Dann ist ab jetzt jedes Wort ein Wort, und wir sind frei, sie zu defnieren, wie immer wir wollen.

Darum definiere ich: ja heißt nein, und heißt oder, Kommunismus heißt Kapitalismus.

Mit so einem Ansatz können wir gleich auf jeden Diskussion verzichten. Richtig wäre, die Wirklichkeit zu untersuchen und daraus eine Theorie -also auch die Begrifflichkeiten - zu bilden. Da du darauf verzichten willst und anstelle dessen ein Freiheitsideal setzt, das du "wie immer du willst" definierst, hat eine weitere Diskussion keinen Zweck. Im Gegentei: alles, was ich schreibe, läuft dann ins Leere, weil du deine Freiheit ja eh definierst, wie immer du willst.

Das Argument ist übrigens geäußert, das ändert sich auch nicht dadurch, dass du ständig wiederholst, dass du Argumente bringst und ich nicht. Übrigens: wo sind deine Argumente? Wo definierst du den "revolutionären" Freiheitsbegriff? Wo sind deine Argumente für einen Stamokap. Gut, du zeigst, dass der Staat ein Interesse an den Gewinnen seiner Unternehmen hat - auf einen Stamokap deutet das noch lange nicht hin.

Übrigens ist auch nicht ganz, dass die Unternehmen soviel Einfluss auf die Politik haben, weil der Prozess der Kapitalakkumulation so weit fortgeschritten ist. Denn die Privatmacht des Geldes, also des Kapitals, wird erst durch das Gewaltmonopol hergestellt. So rum und nicht anders geht das Abhängigkeitsverhältnis.
 

Karl.

Gast
Mir ist, um ehrlich zu sein, nicht klar, was genau du an meinem Posting zu bemängeln hast.
 

Friedrich.

Gast
Nun, die klassische Definition geschieht durch Abgabe des genus proximum und der differentia specifica. Jedes Denken ist grundsätzlich pyramidal strukturiert. Deshalb ist es eben schon wesentlich, welchen Wahrheitsgehalt Aussagen haben, also ob wahr oder falsch.

Soweit ich weiß, habe ich ein genus proximum - den naiv definierten Begriff "Freiheit" - benannt und durch seine Kritik die Hegelsche Definition entwickelt. Durch die Kritik sollte klar geworden sein, worin sich die Hegelsche Definition von jener, von der ich ausgegangen war, unterscheidet (differentia specifica) und warum ich der Ansicht bin, diese sei leistungsfähiger als jene.

Davon abgesehen scheinst du zwischen "Aussage" und "Definition" keinen Unterschied zu machen, was - zumindest in aussagenlogischer Hinsicht - nicht richtig sein kann. Aussagen sind - ich paraphrasiere hier Wittgensteins Tractatus - Beschreibungen von Sachverhalten. Sachverhalte sind Relationen von Dingen, die zuvor definiert worden sind: "A hat Eigenschaft B" ohne vorherige Definition von A und B (und genau genommen auch der Definition, was die Relation "hat die Eigenschaft" bedeutet,) sinnlos, soll heißen: ohne bestimmbaren Wahrheitsgehalt.

Eine Definition hingegen wird so gewählt, daß sie für die Zwecke eines Satzes möglichst brauchbar ist.

Ein Beispiel, absichtlich nicht aus der Politik, sondern der Mathematik: seit Georg Cantor wurde eine "Menge" definiert als ein aufzählbares Set von Elementen, etwa "die Menge aller Teetassen" oder "die Menge aller ungeraden ganzen Zahlen", etc.. Damit konnten die Mathematiker leben und Mengenlehre treiben, bis Bertrand Russell das sogenannte "Russellsche Mengenparadox" vorstellte: die Menge aller Mengen, die sich selbst nicht als Element enthalten. (Eingekleidet in ein Textbeispiel: der Barbier von Sevilla rasiert alle Männer, die sich selbst nicht rasieren. Rasiert er selbst sich nun, oder nicht?) Die Frage ist nun, gehört diese Menge als Element zu sich oder nicht. Die Frage ist mit der naiven Definition von Cantor unentscheidbar. Daraufhin entwickelte man eine andere Definition des Begriffs "Menge" (die sogenannte Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre), die solche Mengen (und ähnliche, die in der naiven Mengenlehre ebenfalls unentscheidbar wären) ausschließt - so ähnlich, wie man die Null als Divisor auch ausschließt.

Hat sich an der Wirklichkeit - nämlich dem Umstand, was eine Menge ist - irgendwas geändert? Nein, keineswegs. Wir haben nur die weniger leistungsfähige Definition durch eine etwas leistungsfähigere ersetzt. Dasselbe haben Philosophen, wenn sie über den Begriff "Freiheit" nachdachten (und nicht nur da), ebenfalls getan. Sie haben versucht, eine für ihre Argumentation möglichst leistungsfähige Definition dieses Abstraktums zu finden, haben womöglich erklärt, warum sie grade diese und keine andere zugrundelegen und dann mit ihrer Beweisführung fortgefahren. Lediglich Karl. ist konsterniert, daß ich lieber die Definition Hegels, wie sie Marx rezipiert hat, benutze und nicht seine.

Natoll. Dann ist ab jetzt jedes Wort ein Wort, und wir sind frei, sie zu defnieren, wie immer wir wollen.

Na sicher ist das so! Was glaubst du eigentlich, warum Marx die ersten 300 Seiten des "Kapital"s auschließlich mit Begriffsdefinitionen verbringt? Was glaubst du, warum er mit geradezu aufreizender Gründlichkeit dem Leser erklärt, was genau er im Folgenden unter einer "Ware" versteht, was unter "Arbeit", etc.. Glaubst du, er hat angenommen, daß seine Leser noch nie gearbeitet haben? Oder noch nie was gekauft? Und was glaubst du, warum er ausführlich klarlegt, daß er bestimmte Definitionen von Smith oder Ricardo eben NICHT übernimmt, sondern ihnen eigene entgegenstellt?

Worte sind tatsächlich nur Worte und wir verleihen ihnen Bedeutung, indem wir sie auf eine bestimmte Weise benutzen - eine Weise, die durch Definitionen festgelegt ist. Natürlich können wir für die meisten umgangssprachlich benutzten Worte Definitionen als bekannt und akzeptiert stillschweigend zugrundelegen - aber für bestimmte Begriffe ist das eben nicht der Fall und dann lohnt sich eine Definition. Und wenn ich den Freiheitsbegriff von Hegel zugrundelege (und nicht etwa den von Kant, den von Fichte, den Platos aus der Politeia, etc.) - dann sage ich das und begründe, warum ich grade den verwende und nicht einen der anderen. Du hingegen behauptest einfach, es gäbe eine absolut richtige Definition von Freiheit (nämlich deine) und läßt völlig außer acht, daß um diesen Begriff eine knapp zweieinhalbtausendjährige Diskussion tobt, an der die größten Geister der Menschheit beteiligt waren. Bist du nur so ignorant, das nicht zu wissen oder so überheblich, anzunehmen, daß du soviel mehr auf dem Kasten hast als die größten Philosophen der Geschichte?

Du behauptest etwa "Stamokap gibts nicht" und als "Begründung": meine Lektüre sei "wenig berauschend" und daß du die "aufgeklärteren" Bücher liest. Und alles andere ist "falsch". Wie überheblich kann man sein?

Anstelle einer Quellenangabe, diesmal ein Rat:

Marxismus ist eine revolutionäre Weltanschauung, die stets nach neuen Erkenntnissen ringen muss, die nichts so verabscheut wie das Erstarren in einmal gültigen Formen, die am besten im geistigen Waffengeklirr der Selbstkritik und im geschichtlichen Blitz und Donner ihre lebendige Kraft bewahrt.
(Rosa Luxemburg; Gesammelte Werke, Bd. 5.; Dietz Verlag, S. 523.)

Friedrich.
 
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