Lord Cracker
Gast
Ich nehme diesen Post von Omega6 zur Eröffnung eines neuen Themas, damit innerhalb der Diskussion zum Thema "Problem Rechtsradikalismus" das eigentlich Thema nicht weiter verwässert wird:
Aus meiner Sicht ist das eine grobe Fehldarstellung der Ereignisse, die letztlich in den Deutschen Herbst mündeten und eine gute Ausgangsposition für die weitere Erörterung des Themas. Dabei soll die Fragestellung "Was ist rechter Terror, was ist linker Terror, war die RAF eine 'Terrororganisation'" im Vordergrund stehen.
Bei der Frage, ob es sich bei der RAF überhaupt um eine Terrorgruppe handelte, führt kein Weg an einer Definition von Terror vorbei. Aus meiner Sicht und nach meiner Definition handelte es sich bei RAF nicht um eine Terrorgruppe. Die Begründung leite ich daraus ab, dass Terror versucht, durch eine Stimmung der allgemeine Angst innerhalb der Bevölkerung ein Klima zu schaffen, welches letztendlich in eine Änderung des Systems führen soll. Entscheidend hierbei ist natürlich, dass von diesem Terror ein Großteil der Bevölkerung oder zumindest eine große Gruppe innerhalb der Bevölkerung in einen Zustand der permanenten Angst versetzt werden soll. Die Taten der Terroristen richten sich hierbei nicht zwingend gezielt gegen jene Menschen, die zum Beispiel die 'Statthalter' des zu bekämpfenden Systems sind, sondern gegen die Bevölkerung im Allgemeinen. Der islamistische Terror - als Beispiel - in London, New York, Madrid, in Tokio und in Tunesien erfüllt dieses Kriterium wesentlich umfassender, als dies je bei einer RAF der Fall war. So kann man sich Fragen, ob man zur aktiven Zeit der RAF in der BRD einen Bus besteigen konnte ohne in Sorge um das eigene Leben zu sein, durchaus bejahen. Anders sieht es zu Zeiten einer Intifada in Israel aus.
Terroristen planen ihre Aktivitäten so, dass dieses "diffuse" Gefühl der Angst innerhalb der Bevölkerung entsteht. Wer von uns hat nach dem 11. September nicht erst einmal etwas misstrauisch in den Himmel geschaut, wenn ein Flugzeug zur Landung einsetzte? Dass die Taten der RAF dieses diffuse Gefühl jedoch nicht herstellen konnte, kann seine Bestätigung auch in dem sehr breiten Spektrum an offen oder verdeckt mit ihr sympathisierenden Bevölkerungsgruppen finden.
Die RAF wiederum entstand in einer Zeit, als es in Deutschland ein Aufbegehren der Jugend, vor allem der Studenten, gegen verkrustete Normen und Gesellschaftsstrukturen gab, als die Debatte über Imperialismus und den Vietnam-Krieg heftigst geführt wurde und in einer Zeit, in der die BRD sich mit den Folgen der gescheiterten Entnazifizierung auseinander setzen musste. Dass, was seinerzeit in der APO, in den Studentenbewegungen, ideologisch thematisiert wurde, mag als die "Keimzelle" des 'Terrors' der RAF verstanden werden, soweit man darunter eine Art 'bewaffneter Arm' der Studentenbewegung verstehen will. Man sollte dabei aber nicht außer Acht lassen, dass ein Rudi Dutschke und viele 'führende Köpfe' der APO sicherlich ideologisch und argumentativ intellektuell den meisten Köpfen bei der RAF weit voraus gewesen sind. Die RAF kann daher auch eher als eine Gruppe von Idealisten verstanden werden, eine Gruppe von Aktivisten, die im gesellschaftlichen Diskurs keine Möglichkeit der Systemveränderung mehr sahen und aus dem Gefühl "Handeln zu müssen, da Worte nicht mehr reichen" agierte und dabei den ideologischen Hintergrund teilweise sehr aus den Augen verloren.
Bei der Entstehung der RAF die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen nicht betrachten zu wollen, die Tötung von Benno Ohnsorg und das Attentat auf Rudi Dutschke zu vernachlässigen, ist aus meiner Sicht fahrlässig. Natürlich rechtfertigt die Ermordung von Benno Ohnsorg niemals einen Bombenanschlag auf ein Gerichtsgebäude, aber bei einer historisch akkuraten Betrachtung der Entstehung des RAF können diese Auseinandersetzungen und die Art, wie diese gesellschaftlich geführt wurden, nicht einfach ignoriert werden. Es wäre die Frage zu behandeln, ob durch die sehr massive Vorgehensweise der staatlichen Organisationen im Zusammenhang mit jenen Ereignissen, die man vereinfacht als APO subsummieren kann, nicht maßgebend dazu beigetragen haben, dass aus ideologischen Auseinandersetzungen eine, aus einem Untergrund und der Illegalität entstehende, gewaltvolle Auseinandersetzung werden musste.
Aus heutiger Sicht stellt sich für uns ja die Frage, welche der Forderungen der außerparlamentarischen Bewegungen zwar, vielleicht aus einem ideologischen Übereifer heraus überspitzt formuliert, in der damaligen Zeiten das Bürgertum aufschreckten, heute aber teilweise zum allgemeinen Wertekanon in unserer Gesellschaft gehören und selbst in ihren extremeren Ausprägungen heute toleriert werden. Denn in diesen außerparlamentarischen Bewegungen finden sich auch die Geburtsstunde der Gleichberechtigung, die Anfänge der Antidiskriminierung, der Beginn der sexuellen Selbstbestimmung und eine Stärkung der Bürgerrechte.
All diese Forderungen wurden von den damals in den staatlichen Strukturen unvermindert weiter agierenden reaktionären Elementen, vielfach die gleichen Personen, die auch 20 Jahre zuvor an gleichen oder ähnlichen Positionen zu finden waren, in einem engen Schulterschluss mit der bürgerlichen Presse, mit herausragender Rolle der BILD-Zeitung, abgekanzelt und weitgehend kriminalisiert. Während man heute selbst in bürgerlichen Kreisen eine "Kommune 1" vielleicht spöttisch belächeln oder als Sonderlinge einfach weitermachen lassen würde, nutze die BILD-Zeitung selbst lächerlichste Aktionen, wie das geplante 'Puddingattentat' auf den amerikanischen Vizepräsident, um vor der "Horror-Kommune" zu "warnen" und Die Zeit sprach gar von "11 kleinen Oswalds", um einen Bezug zu Lee Harvey Oswald, der Mörder von John F. Kennedy, herzustellen. Durch die Angriffe auf Rudi Dutschke und die Ermordung von Benno Ohnesorg (mit umgehender Freisprechung des Schützen) mögen die späteren Mitglieder der RAF für sich selbst die Rechtfertigung für die Umstellung vom Diskurs zur gewaltsamen Aktivität gefunden haben, durch das - vor allem durch die Springer-Presse - erzeugte Klima der Kriminalisierung und die damit einhergehende Zuspitzung einer schon fast hysterischen Stimmung, mag auch dieses Gefühl einer "Stadtguerilla" entstanden sein, so dass sich die späteren Mitglieder der RAF schon lange bevor die ersten Gewalttaten aufkamen, als eine Art 'Untergrundkämpfer' verstanden hat. Schaut man sich dann die daran beteiligten Charaktere an, wie zum Beispiel einen Andreas Baader, kann man schnell feststellen, dass ab einem gewissen Punkt in der Entwicklung der RAF der ideologische Hintergrund des eigenen Tuns, wenn auch teilweise durch die verklausulierten und von Ulrike Meinhof größtenteils geschriebenen 'Bekennerschreiben' als politische Aktionen benannt, unklar wurde und zumindest bei Baader die intellektuelle Reflexion der eigenen Aktivitäten, ihre ideologische Manifestation, nicht mehr konsequent statt fand. Viel mehr als das permanente Wiederholen von "Klassenkampfphrasen" im Einklang mit dem Bedürfnis, selbst irgendwie "cool" zu sein (um mal die heutige Sprache zu verwenden) war irgendwann nicht mehr feststellbar und entpolitisierte die RAF sogar teilweise.
Ich betrachte die RAF auch daher nicht als "terroristische Organisation", weil sie zum einen keinen Abgleich ihrer Methoden mit den ideologischen Zielen mehr vornahm, sie keinerlei planvolles Vorgehen erkennen lies und - und das ist nach wie vor mein Hauptkriterium - die Verbreitung von Terror nicht ihr Ziel war. Das Unterscheidet eine Gruppe wie die RAF aus meiner Sicht erheblich von jenen Terrorgruppen, die wahllos in der Auswahl der Opfer sind und die ihre Forderungen durch das schlichte Ermorden möglichst vieler Menschen durchzusetzen versuchen. Damit will ich keineswegs die Taten der RAF "romantisch stilisieren" oder gar rechtfertigen - wie es hier bereits an anderer Stelle einem anderen Foristen unbegründet unterstellt wurde - aber dennoch darauf verweisen, dass man durch die gegenteilige Stilisierung der RAF zur einer "Terrororganisation" der Gruppe eine überhöhte politische Dimension und ein völlig überhöhtes Gefährdungspotential anrechnet.
Nun hoffe ich darauf, dass wir im weiteren Diskurs sachlich auch die Unterscheidungen zum "Rechten Terror" herausarbeiten können, der sich aus meiner Sicht viel eher als "Terror" begreifen lässt, da er eben diese Willkür bei der Auswahl der Opfer in sich trägt und die Erzeugung eines Angstgefühls in weiten Teilen der Bevölkerung zum Ziel hat - ihm andererseits aber ideologische Unterbau vollkommen abgeht und sich nicht erkennen lässt, welche politische Zielrichtung er eigentlich hat. Aber nun warte ich erst mal weitere Beiträge ab.
Als die RAF als Terrororganisation Anfangs massiv auftrat waren derartige Straftaten wohl für die BRD (Regierung, Justiz, Strafverfolgungsbehörden u.ä.) etwas vollkommen Neues.
Sie hatten kein “Rezept” wie sie diesem Terror begegnen können und haben aus Hilflosigkeit auch überreagiert!
Zu Zeiten der RAF wurden auch nicht alle Banken oder alle Manager geschützt. Die Regierung hat nach irgendwelchen Kriterien (frag mich nicht nach welchen) entschieden, wer ein mögliches Angriffsziel der RAF sein könnte und hat dann diese Personen geschützt!
Bei der RAF war dem “Staat” nicht bekannt, wer alles ein echter Unterstützer war. Über die Struktur der RAF war wohl eher wenig bis gar nichts bekannt.
Welche Telefone hätte der “Staat” abhören sollen? Wo hätte der Staat “echte” Informationen herbekommen sollen?
Auch für die Menschen in der BRD war Terror hier in Deutschland etwas völlig Neues.
Manche Verleger nutzten halt ihre Chance, ihre Zeitungsauflagen mit reißerischen Aufmachungen zu erhöhen ! Je größer die Schrift im Hauptartikel war, umso mehr Zeitungen wurden verkauft!
Wen interessiert es heute noch, wenn irgendwo in Ägypten eine Autobombe 20 oder mehr Menschen tötet?
Mittlerweilen haben sich die Menschen daran gewöhnt. Sie sind abgestumpft.
Bei der “Zwickauer Zelle” verhält es sich wohl ähnlich?
Wobei, bei deren “Dönerbuden-Morden” kam man wohl erst gar nicht auf den Gedanken, alle diese Straftaten einer Gruppe zuzuschreiben!
Für die Masse waren das doch alles nur “Einzeltaten” die keinem bestimmtem Täter zuzurechnen sind!
Morde passieren in Deutschland tagtäglich! Der “Renner” ist so was bestimmt nicht für die Zeitungen!
Als die “Zwickauer Terrorzelle” aufflog war auch dieses Thema in der “Bold”-Zeitung das Thema!
Aber eben nur für 1 Woche. Wenn jetzt ein “echter Unterstützer” dieser Terrorzelle festgenommen wird, wen interessiert das noch (abgesehen von der Bundesstaatsanwaltschaft)?
Die rechte Terrorzelle ist aufgeflogen, die Täter sind tot bzw. in Haft, ein paar Unterstützer/Mittäter/Gehilfen werden noch nach und nach festgenommen, Okay, Gefahr erkannt , Gefahr gebannt!
Weiter, zum nächsten Thema!
Interessant wird es vlt. wieder wenn der Prozess stattfindet!
Als Bader, Meinhof u.a. in Haft waren, war damit nicht auch die Gefahr gebannt!
Ihre “Terroristen-Kollegen” haben versucht diese frei zu pressen!
Selbst arabische Terroristen haben sogar ein Flugzeug entführt um “unsere” Terroristen frei zu pressen!
Zu Zeiten der RAF konnte man ja darauf warten bis es wieder irgendein Verbrechen gab, dass im Zusammenhang mit der RAF stand!
Warum steht nicht vor jeder Dönerbude ein Polizist?
Vlt. deswegen, weil die Sicherheitsorgane davon ausgehen, dass die Terrorgefahr von rechts erstmal gebannt ist!
Vlt. weil es aufgrund der Komplexität gar nicht machbar wäre!
Vlt. weil dann durch die Reihen “der Linken” ein Aufschrei “Polizeistaat - Überwachungsstaat” gehen würde!
Hätte die RAF mit ihrem Terror hier in Deutschland nicht angefangen, dann hätte es auch die Terrorgesetze (nicht so früh) gegeben!
Ach ja, der Terror hat noch nie Halt vor den Polizisten gemacht!
Das war auch schon bei der RAF so!
Wen interessiert es heute noch, wenn in Hamburg in irgendeinem “Bonzenviertel” ein paar Limousinen “abgefackelt” werden? Im Besten Fall kannst Du auf Seite 5 nachlesen, dass der Staatsschutz die Ermittlungen aufgenommen hat!
Die Menschen gewöhnen sich an alles!
Wir möchten Neuigkeiten erfahren, wen interessiert etwas (beinahe) alltägliches?
Die RAF hat den Menschen etwas total Neues, etwas noch nie da gewesenes gegeben!
Die RAF hat den Terror nach Deutschland gebracht!
Aus meiner Sicht ist das eine grobe Fehldarstellung der Ereignisse, die letztlich in den Deutschen Herbst mündeten und eine gute Ausgangsposition für die weitere Erörterung des Themas. Dabei soll die Fragestellung "Was ist rechter Terror, was ist linker Terror, war die RAF eine 'Terrororganisation'" im Vordergrund stehen.
Bei der Frage, ob es sich bei der RAF überhaupt um eine Terrorgruppe handelte, führt kein Weg an einer Definition von Terror vorbei. Aus meiner Sicht und nach meiner Definition handelte es sich bei RAF nicht um eine Terrorgruppe. Die Begründung leite ich daraus ab, dass Terror versucht, durch eine Stimmung der allgemeine Angst innerhalb der Bevölkerung ein Klima zu schaffen, welches letztendlich in eine Änderung des Systems führen soll. Entscheidend hierbei ist natürlich, dass von diesem Terror ein Großteil der Bevölkerung oder zumindest eine große Gruppe innerhalb der Bevölkerung in einen Zustand der permanenten Angst versetzt werden soll. Die Taten der Terroristen richten sich hierbei nicht zwingend gezielt gegen jene Menschen, die zum Beispiel die 'Statthalter' des zu bekämpfenden Systems sind, sondern gegen die Bevölkerung im Allgemeinen. Der islamistische Terror - als Beispiel - in London, New York, Madrid, in Tokio und in Tunesien erfüllt dieses Kriterium wesentlich umfassender, als dies je bei einer RAF der Fall war. So kann man sich Fragen, ob man zur aktiven Zeit der RAF in der BRD einen Bus besteigen konnte ohne in Sorge um das eigene Leben zu sein, durchaus bejahen. Anders sieht es zu Zeiten einer Intifada in Israel aus.
Terroristen planen ihre Aktivitäten so, dass dieses "diffuse" Gefühl der Angst innerhalb der Bevölkerung entsteht. Wer von uns hat nach dem 11. September nicht erst einmal etwas misstrauisch in den Himmel geschaut, wenn ein Flugzeug zur Landung einsetzte? Dass die Taten der RAF dieses diffuse Gefühl jedoch nicht herstellen konnte, kann seine Bestätigung auch in dem sehr breiten Spektrum an offen oder verdeckt mit ihr sympathisierenden Bevölkerungsgruppen finden.
Die RAF wiederum entstand in einer Zeit, als es in Deutschland ein Aufbegehren der Jugend, vor allem der Studenten, gegen verkrustete Normen und Gesellschaftsstrukturen gab, als die Debatte über Imperialismus und den Vietnam-Krieg heftigst geführt wurde und in einer Zeit, in der die BRD sich mit den Folgen der gescheiterten Entnazifizierung auseinander setzen musste. Dass, was seinerzeit in der APO, in den Studentenbewegungen, ideologisch thematisiert wurde, mag als die "Keimzelle" des 'Terrors' der RAF verstanden werden, soweit man darunter eine Art 'bewaffneter Arm' der Studentenbewegung verstehen will. Man sollte dabei aber nicht außer Acht lassen, dass ein Rudi Dutschke und viele 'führende Köpfe' der APO sicherlich ideologisch und argumentativ intellektuell den meisten Köpfen bei der RAF weit voraus gewesen sind. Die RAF kann daher auch eher als eine Gruppe von Idealisten verstanden werden, eine Gruppe von Aktivisten, die im gesellschaftlichen Diskurs keine Möglichkeit der Systemveränderung mehr sahen und aus dem Gefühl "Handeln zu müssen, da Worte nicht mehr reichen" agierte und dabei den ideologischen Hintergrund teilweise sehr aus den Augen verloren.
Bei der Entstehung der RAF die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen nicht betrachten zu wollen, die Tötung von Benno Ohnsorg und das Attentat auf Rudi Dutschke zu vernachlässigen, ist aus meiner Sicht fahrlässig. Natürlich rechtfertigt die Ermordung von Benno Ohnsorg niemals einen Bombenanschlag auf ein Gerichtsgebäude, aber bei einer historisch akkuraten Betrachtung der Entstehung des RAF können diese Auseinandersetzungen und die Art, wie diese gesellschaftlich geführt wurden, nicht einfach ignoriert werden. Es wäre die Frage zu behandeln, ob durch die sehr massive Vorgehensweise der staatlichen Organisationen im Zusammenhang mit jenen Ereignissen, die man vereinfacht als APO subsummieren kann, nicht maßgebend dazu beigetragen haben, dass aus ideologischen Auseinandersetzungen eine, aus einem Untergrund und der Illegalität entstehende, gewaltvolle Auseinandersetzung werden musste.
Aus heutiger Sicht stellt sich für uns ja die Frage, welche der Forderungen der außerparlamentarischen Bewegungen zwar, vielleicht aus einem ideologischen Übereifer heraus überspitzt formuliert, in der damaligen Zeiten das Bürgertum aufschreckten, heute aber teilweise zum allgemeinen Wertekanon in unserer Gesellschaft gehören und selbst in ihren extremeren Ausprägungen heute toleriert werden. Denn in diesen außerparlamentarischen Bewegungen finden sich auch die Geburtsstunde der Gleichberechtigung, die Anfänge der Antidiskriminierung, der Beginn der sexuellen Selbstbestimmung und eine Stärkung der Bürgerrechte.
All diese Forderungen wurden von den damals in den staatlichen Strukturen unvermindert weiter agierenden reaktionären Elementen, vielfach die gleichen Personen, die auch 20 Jahre zuvor an gleichen oder ähnlichen Positionen zu finden waren, in einem engen Schulterschluss mit der bürgerlichen Presse, mit herausragender Rolle der BILD-Zeitung, abgekanzelt und weitgehend kriminalisiert. Während man heute selbst in bürgerlichen Kreisen eine "Kommune 1" vielleicht spöttisch belächeln oder als Sonderlinge einfach weitermachen lassen würde, nutze die BILD-Zeitung selbst lächerlichste Aktionen, wie das geplante 'Puddingattentat' auf den amerikanischen Vizepräsident, um vor der "Horror-Kommune" zu "warnen" und Die Zeit sprach gar von "11 kleinen Oswalds", um einen Bezug zu Lee Harvey Oswald, der Mörder von John F. Kennedy, herzustellen. Durch die Angriffe auf Rudi Dutschke und die Ermordung von Benno Ohnesorg (mit umgehender Freisprechung des Schützen) mögen die späteren Mitglieder der RAF für sich selbst die Rechtfertigung für die Umstellung vom Diskurs zur gewaltsamen Aktivität gefunden haben, durch das - vor allem durch die Springer-Presse - erzeugte Klima der Kriminalisierung und die damit einhergehende Zuspitzung einer schon fast hysterischen Stimmung, mag auch dieses Gefühl einer "Stadtguerilla" entstanden sein, so dass sich die späteren Mitglieder der RAF schon lange bevor die ersten Gewalttaten aufkamen, als eine Art 'Untergrundkämpfer' verstanden hat. Schaut man sich dann die daran beteiligten Charaktere an, wie zum Beispiel einen Andreas Baader, kann man schnell feststellen, dass ab einem gewissen Punkt in der Entwicklung der RAF der ideologische Hintergrund des eigenen Tuns, wenn auch teilweise durch die verklausulierten und von Ulrike Meinhof größtenteils geschriebenen 'Bekennerschreiben' als politische Aktionen benannt, unklar wurde und zumindest bei Baader die intellektuelle Reflexion der eigenen Aktivitäten, ihre ideologische Manifestation, nicht mehr konsequent statt fand. Viel mehr als das permanente Wiederholen von "Klassenkampfphrasen" im Einklang mit dem Bedürfnis, selbst irgendwie "cool" zu sein (um mal die heutige Sprache zu verwenden) war irgendwann nicht mehr feststellbar und entpolitisierte die RAF sogar teilweise.
Ich betrachte die RAF auch daher nicht als "terroristische Organisation", weil sie zum einen keinen Abgleich ihrer Methoden mit den ideologischen Zielen mehr vornahm, sie keinerlei planvolles Vorgehen erkennen lies und - und das ist nach wie vor mein Hauptkriterium - die Verbreitung von Terror nicht ihr Ziel war. Das Unterscheidet eine Gruppe wie die RAF aus meiner Sicht erheblich von jenen Terrorgruppen, die wahllos in der Auswahl der Opfer sind und die ihre Forderungen durch das schlichte Ermorden möglichst vieler Menschen durchzusetzen versuchen. Damit will ich keineswegs die Taten der RAF "romantisch stilisieren" oder gar rechtfertigen - wie es hier bereits an anderer Stelle einem anderen Foristen unbegründet unterstellt wurde - aber dennoch darauf verweisen, dass man durch die gegenteilige Stilisierung der RAF zur einer "Terrororganisation" der Gruppe eine überhöhte politische Dimension und ein völlig überhöhtes Gefährdungspotential anrechnet.
Nun hoffe ich darauf, dass wir im weiteren Diskurs sachlich auch die Unterscheidungen zum "Rechten Terror" herausarbeiten können, der sich aus meiner Sicht viel eher als "Terror" begreifen lässt, da er eben diese Willkür bei der Auswahl der Opfer in sich trägt und die Erzeugung eines Angstgefühls in weiten Teilen der Bevölkerung zum Ziel hat - ihm andererseits aber ideologische Unterbau vollkommen abgeht und sich nicht erkennen lässt, welche politische Zielrichtung er eigentlich hat. Aber nun warte ich erst mal weitere Beiträge ab.