Sollen wir das Thema mal auf ein Niveau heben, dass es irgendwie sinnvoll macht, sich weiter zu unterhalten? Beginnen wir doch mal mit einem Ausspruch von William Shakespeare:
Welch ein Meisterwerk ist der Mensch! Wie edel durch Vernunft! Wie unbegrenzt an Fähigkeiten! In Gestalt und Bewegung wie bedeutend und wunderwürdig! Im Handeln wie ähnlich einem Engel! Im Begreifen wie ähnlich einem Gott! Die Zierde der Welt! Das Vorbild der Lebendigen!
Nun ist William ja durchaus auch als Humorist bekannt, aber wollen wir ihm an dieser Stelle unterstellen, er wollte einfach mal ironisch sein - oder liegt dem Ganzen doch etwas mehr zugrunde?
Wenn wir also feststellen wollen, ob der Mensch etwas "Besonderes" ist, müssen wir wohl die Abgrenzung zu anderen Lebewesen suchen. Diese muss natürlich wertneutral erfolgen - der Mensch mag von seiner Komplexität her ein "höheres" Wesen sein, als viele andere - aber die biologische Komplexität zu Rate zu ziehen, hieße das außer Acht zu lassen, was den Menschen vielleicht unterscheidet. Wenn wir also festhalten, dass der Mensch biologisch erst einmal ein hoch entwickeltes Tier ist, haben wir zwar Gemeinsamkeiten aber immer noch keine besonderen Merkmale gefunden. Der Mensch ist an sich auch überaus intelligent, intelligenter als die meisten anderen Lebewesen, soweit man Intelligenz als neurale Leistungsfähigkeit begreift. An sich würde das aber immer noch keine Sonderstellung des Menschen begründen, sind auch andere Lebewesen (wenn auch teilweise "nur" auf ihre Art) intelligent. Auch die Feststellung, dass der Mensch wohl über ein Bewustsein verfügt, eine Vorstellung von Zeit hat, von Vergangenheit und Zukunft, dass er zur Empathie fähig ist und die Reflexion meist beherrscht, ist nicht mehr, als eine Darstellung der Gemeinsamkeiten mit vielen anderen Lebewesen. Immer noch kein sonderliches Alleinstellungsmerkmal unter den Säugetieren. Bleibt also noch ein Kriterium zur Untersuchung: Die Kultur.
Nun sollten wir uns an dieser Stelle vielleicht erst einmal um einen kleinen definitorischen Rahmen bemühen. Man kann natürlich behaupten, dass Kultur erst einmal nichts Besonderes ist, sind doch auch einige andere Lebewesen "künstlerisch". Diese Aussage ist allerdings weniger eine sinnvolle Diskussionsgrundlage, als vielmehr ein Armutszeugnis für den, der solche Banalitäten ausspricht: Hat er doch gar nicht verstanden, was Kultur ist. Kultur ist nicht das Gleiche wie Kunst - es ist also bei der Betrachtung von Kultur wenig hilfreich, sich auf Tiere zu beziehen, die durchaus auch ihre Umgebung "schmücken". Kultur beinhaltet ja auch die vielfachen Kulturtechniken - Dinge wie Ackerbau, Viehzucht, Wissenschaft, Philosophie, Sprache, Schrift, Gesetze, Regeln, Habe und Gut, und dann auch noch die Kunst und die Religion. Jemand sollte hier mal mit dem Kulturbegriff ein wenig aufräumen.
Nehmen wir nun eine Kombination aus Reflexion, Ich-Bewußtsein, hoher Intelligenz und Kultur, kommen wir vielleicht langsam an den Punkt, das Lebewesen Mensch ein wenig mehr zu begreifen und seine Sonderstellung doch noch begründen zu können. Hier noch einmal der Hinweis: "Sonderstellung" ist dabei keineswegs wertend gemeint, sondern lediglich beschreibend und feststellend. Und bevor sich jemand über den Erfolg der Spezies Mensch ausläßt, müsste man vielleicht erst einmal definieren, was eigentlich ein Erfolg für eine Spezies sein kann. Der Mensch ist erst mal die DOMINANTE Spezies - wenn man das als Maßstab des Erfolgs betrachten will, sind wir wohl doch die erfolgreichste Art. Daraus können wir aber immer noch keine "priviligierte" Stellung ableiten, sondern lediglich feststellen, ob die Kombination der menschlichen Eigenschaften eine Besonderheit darstellt - nicht jede für sich, sondern eben die Verbindung all dieser. Ich kann nicht feststellen, dass es im Tierreich ansonsten bisher eine Art gibt, die diese Kombination ihr Eigen nennt. Dies macht den Menschen also zu etwas "Besonderem", so wie es übrigens auch die Eidechse zu etwas Besonderem macht, dass sie zur Verteidigung einen Teil ihres Körpers gezielt "abwerfen" kann. Es ist die wertneutrale Beschreibung einer Eigenschaft, keine Begründung für ethisch-moralische Forderungen aus irgendeinem Gefühl der Überlegenheit.
Will ich also den Menschen in seinem Wesen beschreiben, muss ich die Unterschiede und die Besonderheiten herausstellen. Nun ist es an dieser Stelle wiederum einfach, zu sagen: "So what?" Den Menschen einfach nur als Schädling zu sehen, ohne den "der Planet besser dran wäre" ist keine andere Form des Speziismus, als zu behaupten, Hühner wären nur als Futter gut. Wir gehen hier sonst den gleichen Schritt, wie er auch in der Überemanzipation auftritt: Offensichtlich muss das Eine, muss das Besondere, muss der UNTERSCHIED diskreminiert werden, um eine Gleichberechtigung herzustellen. Warum dem so sein sollte, erschließt sich mir nicht.
Die Aufklärung hat zumindest einem Teil von uns klar gemacht, dass wir zunächst einmal einfach nur Lebewesen sind, die nicht durch irgendeine höhere Macht mit Rechten ausgestattet wurde, die sie nun nach Belieben missbrauchen kann. Diese Doktrin führt zur Unmündigkeit. Behaupte ich nun aber, dass Menschen einfach nichts anderes als andere Tiere sind und sogar darüber hinaus nur als Schädlinge begriffen werden können, leite ich die nächste Unmündigkeit in Form eines biologischen Fatalismus ein. Wenn wir eh nur Schädlinge sind, werden wir irgendwann, wie jeder andere Schädling auch, aussterben und der Fall "Mensch" ist erledigt, die Akte kann geschlossen werden.
Es ist ein wenig verwunderlich, wenn immer wieder kehrend die Aussage getätigt wird, dass die Natur irgendwie "per se" gut und der Mensch in all seiner Widernatürlichkeit "per se" schlecht sei. Diese Aussage basiert ja bereits auf einem moralischen Verständnis, und aus meiner Sicht auch noch aus einem vollkommen verfehlten. Natur ist erst einmal nur Natur - weder gut noch schlecht, weder wertvoll noch wertlos. Die Natur ist einfach nur - genau wie der Mensch einfach nur ist. Moralische Wertungen sind allerdings menschliche Wertungen und noch bevor der Mensch überhaupt in der Lage war, moralische Wertungen vorzunehmen, hatte er die Natur bereits so weit beeinflusst, dass das ursprünglich "natürliche" schon gar nicht mehr existent war. Die Sonne ist auch "Natur", sie ist deswegen aber keineswegs ein Ort, an dem irgendein Lebewesen leben möchte. Die Existenz des Menschen im Einklang mit der Natur zu suchen, ist deswegen auch ein wenig irreführend. Betrachte ich den Menschen aber lediglich als Schädling, sagt dies ja nichts anderes aus, als das der Mensch "per se" ein Lebewesen ist, welches durch seine Widernatürlichkeit der Welt Schaden zufügen muss. Nur: Muss er das eigentlich? In der Vergangenheit ist dies mit Sicherheit zu bejahen - durch die Kultur sind wir allerdings nun auch an dem Punkt angekommen, wo wir hoffentlich weg vom Verbraucher und Verschwender natürlicher Ressourcen hin zum Nutzer selbiger kommen, ohne durch den zwanghaften Raubbau die Welt schließlich zu vernichten und so uns und allen anderen Lebewesen die Grundlage zu entziehen. Dafür muss aber auch die Stigmatisierung des Menschen als Schädling irgendwann einmal durchbrochen werden - der ihr zugrunde liegende Fatalismus verschwinden. Wir können uns als Teil eines sehr komplexen und wechselwirkenden Systems verstehen und hoffentlich kommen wir durch weitere Verwendung und den Ausbau unserer kulturellen Besonderheiten auch an den Punkt, unseren Einfluß auf dieses System derart zu gestalten, dass er dem Erhalt des Systems dient und auch die Interessen aller anderen Lebewesen berücksichtigt. Mit einer vorschnellen Vorverurteilung und Dämonisierung des Menschen kommen wir nicht an diesen Punkt. Wenn wir also Ernst machen mit Dingen wie "Erneuerbare Ressourcen", "Nachhaltigkeit", "Cradle-to-Cradle"-Wirtschaften und einer generell sinnvollen Ressourcenverwendung statt -Verschwendung, kann die Menschheit tatsächlich aus ihrer Sonderstellung auch eine besonders nützliche Gattung sein. Auf lange Sicht bleibt uns auch gar nichts anderes übrig, auf lange Sicht werden wir dieser Welt, der Erde, entwachsen müssen und durch neuartige Verfahren, also durch schrecklich viel Forschung, uns selbst über die Grenzen dieses Planeten hinaus bewegen müssen. Die Erde ist nicht lange der für uns so nützliche Planet. Unter geologischen Zeitmaßstäben gesehen, haben wir einen kometenhaften Aufstieg hinter uns, einzigart, etwas ganz außergewöhnliches. Wir haben als bisher erste und einzige Spezies die Chance, durch eigenes Handeln die Art zu retten und zu erhalten, egal welche Widrigkeiten die Natur den Lebewesen in Zukunft auf diesem Planeten noch entgegenwerfen wird. Der nächste Meteor kommt garantiert, bis dahin sollte uns etwas eingefallen sein, um unsere Art und viele andere diesmal vor der vollständigen Vernichtung zu retten. Mit einer "wir sind alle !§#$%&?"-Einstellung und einer grundsätzlich nihilistischen und misanthropischen Einstellung kommen wir da aber nicht hin. Die Natur kennt kein richtig oder falsch, kein nützlich und unnütz, das sind menschliche Begriffe und Vorstellungen. Und die Tatsache, dass wir diese Vorstellungen haben und uns nach ihnen ausrichten können, macht den Menschen sehr wohl zu etwas Besonderem. Jetzt kommt es nur darauf an, was wir daraus machen.