Ich höre und lese relativ oft, dass das Spiel insbesondere junge Menschen wieder zu Bewegung an frischer Luft animiert. Schön, wenn es so ist. Aber deutlich mehr ins Auge stechen mir in den letzten Wochen doch andere Auswirkungen des Hypes im "öffentlichen Raum", die teils urkomisch, teils bedenklich, nicht selten aber auch mordsgefährlich sind.
Anbei ein paar tatsächlich selbst erlebte Geschichtchen, die das illustrieren...
Natürlich ist es gerade der Outdoor-Charakter des Spiels, das es so ins Gespräch bringt und so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Man stolpert (und das oft wortwörtlich) an jeder Ecke über Auswirkungen des Spiels, und manchmal wird dabei die Toleranzgrenze der nicht spielenden Mitmenschen schon arg strapaziert - und das nicht nur, wenn die "Bewegung an der frischen Luft" über erntereife Äcker und private Grundstücke führt.
Anbei ein paar tatsächlich selbst erlebte Geschichtchen, die das illustrieren...
Meine erste Begegnung mit Pokemon Go-Süchtlingen fand wenige Tage nach dem Deutschland-Release des Spiels in einem Nürnberger Stadtbus der Linie 45 statt. Zwei junge Erwachsene in typischer Spielhaltung saßen sich, völlig versunken in die Betrachtung ihrer Smartphones, in einem Viererblock des spärlich besetzten Busses gegenüber, während ihr knapp dreijähriges Kind unbeaufsichtigt die vielfältigen Spiel- und Klettermöglichkeiten des Linienbusses erkundete. Zweimal ermahnte der Busfahrer die für die reale Welt verlorenen Eltern in breitestem Fränkisch ("Etz passn´s doch auf des Madla auf, was issn, wenn i bremsn mo?"), und als er dann tatsächlich in die Eisen steigen musste, weil ein todesmutiger Fußgänger die Straße kreuzte, konnte ich das wie ein Geschoss durch den Mittelgang nach vorne schliddernde Kleinkind gerade noch packen, bevor sein Kopf schmerzhaft mit einer der Haltestangen kollidieren konnte. Keine Reaktion der Eltern - die hatten das gar nicht mitbekommen. Der Fahrer setzte die protestierende Kleinfamilie noch zwischen den Haltestellen auf die Straße - und er war auch der einzige, der sich bei mir bedankt hat, nur um sich den Rest des Weges dann noch wortreich bei mir auszukotzen. "Dei ham alle an an der Waffel wecha dem Spiel, des is fei nimma normal. Des sin fei ned die erschtn gwen heit, die vergessn ham, dass a Kind dabei ham, weil´s dauernd auf ihr Handy glotzn möin." "Etz könners die frische Luft genießn, dei Deppn. Hoffentlich hams wenigstens a Hand frei fürs Kind - eigentlich hätt i die Bulln rufn solln."
Lustiger war da schon der Vorfall, den ich neulich in der Erlanger Fußgängerzone beobachten konnte. Eine Muslima mit Kopftuch und dem üblichen langen körperverhüllenden Mantel hatte sich mit Kind und Gatten und einem weiteren männlichen Begleiter nach einem Einkaufsbummel zur Rast auf einer schattigen Bank niedergelassen, als ein junger Mann mit gezücktem Smartphone sich ihr unziemlich näherte und etwas in Höhe ihres Schoßes im Visier zu haben schien. Die deutlich abwehrenden Gesten der Frau ignorierte er ebenso wie die sich drohend im Halbkreis um ihn formierenden männlichen Begleiter. Die Situation drohte schon zu eskalieren, als der jüngere der beiden Männer die Lage richtig als versuchten Pokemon-Fang interpretierte, und sich die ganze Sache in Gelächter und einer Pokemon Go-Vorführung auflöste. Ich saß mit einer Kollegin in einem Straßencafé ganz in der Nähe, und der Vorfall lieferte noch eine ganze Weile Gesprächsstoff, auch an den Nachbartischen.
Vergangenen Freitag hatte ich mich nach der Arbeit mit meinem Bruder zum Essen in der Nürnberger Innenstadt verabredet, und ich war an dem Tag daher mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Im Regionalexpress zwischen Erlangen und Nürnberg herrschte die übliche Passagier- und Smartphone-Dichte, und so war es nicht weiter verwunderlich, als nach Ankunft im Nürnberger Hauptbahnhof einer der Mitpendler nach dem Öffnen der Türen in typischer Smartphone-Haltung wie erstarrt innehielt anstatt auszusteigen. "Jetzt halten´s ned den ganzen Verkehr auf, junger Mann" grummelte es von weiter hinten. Und von noch weiter hinten: "Was ist es denn für eins? Wehe, es ist kein besonders seltenes!" Gelächter...
Und dennoch verursachte derselbe begnadete Pokemon-Fänger anschließend auf der Treppe, die vom Bahnsteig in den Fußgängertunnel unter den Gleisen führt, doch noch eine echte Gefahrensituation. Wieder blieb er stocksteif stehen und eine junge Frau, die unmittelbar hinter ihm ihr Fahrrad die Treppen herunterhievte, konnte nicht mehr ausweichen und stürzte (ich hatte von vornherein Sicherheitsabstand gehalten^^). Es ist diese völlige Unberechenbarkeit und Selbstvergessenheit der Spieler im Alltag, die das Spiel - nicht völlig zu Unrecht - in der Öffentlichkeit in Verruf bringt.
Da der Zug Verspätung gehabt hatte und ich spät dran war, nahm ich vom Bahnhof aus die U-Bahn Richtung Lorenzkirche. Auf dem Bahnsteig im U-Bahnhof jagte eine der allgegenwärtigen Untergrundtauben (eine echte, kein Taubsi!) vor mir einem Stück Breze hinterher. Ich achtete nicht weiter auf sie, denn normalerweise fliegen die netten Tiere ja davon, wenn man ihnen zu nahe kommt. Nicht aber diese ...
Anstatt aufzufliegen, drehte sie sich unerwartet in Verteidigung ihrer Mahlzeit zu mir um, baute sich vor mir in voller aufgeplusterter Taubengröße auf, und ich kam tatsächlich ins Stolpern, weil ich sie nicht treten wollte. "Da hätten´s jetzt an Pokeball gebraucht, junge Frau" lachte ein Mittsiebziger hinter mir. Donnerwetter, dachte ich mir, anscheinend macht das Spiel wohl auch vor dieser Altersgruppe nicht halt...^^
Gegen 23:00h mussten wir die Lokalität wechseln, da in Nürnberg auch im Innenstadtbereich um diese Zeit die Biergärten schließen müssen. Wir schlenderten über den Hauptmarkt Richtung Museumsbrücke, als wir in Höhe Heilig-Geist-Spital bemerkten, dass unglaubliche Trauben von Jugendlichen in den Schaufensternischen, Ladeneingängen oder ganz einfach auf dem Pflaster der Fußgängerzone campierten. Auf der Museumsbrücke, kaum 50 Meter weiter, hatte an diesem Abend ab 21:00h eine Gedenkveranstaltung zum Bombenabwurf auf Hiroshima stattgefunden, und wir waren zunächst der Meinung, dass die Jugendlichen von dieser Veranstaltung angezogen worden waren. Tatsächlich brannten dort noch Unmengen von Kerzen auf dem Pflaster, und ein einsamer ehemaliger Anti-Atomkraft-Aktivist berichtete zu dieser späten Stunde noch einer sehr kleinen versprengten Gruppe von Zuhörern von den friedlichen Sitzstreiks und Blockaden seiner Jugend. Und da standen wir dann noch ein Weilchen, und ließen die Blicke schweifen zwischen den beiden Gruppen - der kleinen, bei den Gedenklichtern auf der Brücke, und der wesentlich größeren an der Ecke zur Spitalgasse, die sich - wie wir durch Fragen erfuhren - eingefunden hatte, weil dort ein "4er Spot" ist, und "einfach immer Module aktiv sind, voll krass"
Mein Bruder (9 Jahre jünger als ich) beschloss spontan, dass er wohl schon zu alt für diese Welt ist, und wir suchten uns noch einen netten Weinkeller mit solidem Gewölbe, das Handyempfang unmöglich macht, und ließen den Abend dann unter, ähm, philosophischen Betrachtungen ausklingen...^^
Lustiger war da schon der Vorfall, den ich neulich in der Erlanger Fußgängerzone beobachten konnte. Eine Muslima mit Kopftuch und dem üblichen langen körperverhüllenden Mantel hatte sich mit Kind und Gatten und einem weiteren männlichen Begleiter nach einem Einkaufsbummel zur Rast auf einer schattigen Bank niedergelassen, als ein junger Mann mit gezücktem Smartphone sich ihr unziemlich näherte und etwas in Höhe ihres Schoßes im Visier zu haben schien. Die deutlich abwehrenden Gesten der Frau ignorierte er ebenso wie die sich drohend im Halbkreis um ihn formierenden männlichen Begleiter. Die Situation drohte schon zu eskalieren, als der jüngere der beiden Männer die Lage richtig als versuchten Pokemon-Fang interpretierte, und sich die ganze Sache in Gelächter und einer Pokemon Go-Vorführung auflöste. Ich saß mit einer Kollegin in einem Straßencafé ganz in der Nähe, und der Vorfall lieferte noch eine ganze Weile Gesprächsstoff, auch an den Nachbartischen.
Vergangenen Freitag hatte ich mich nach der Arbeit mit meinem Bruder zum Essen in der Nürnberger Innenstadt verabredet, und ich war an dem Tag daher mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Im Regionalexpress zwischen Erlangen und Nürnberg herrschte die übliche Passagier- und Smartphone-Dichte, und so war es nicht weiter verwunderlich, als nach Ankunft im Nürnberger Hauptbahnhof einer der Mitpendler nach dem Öffnen der Türen in typischer Smartphone-Haltung wie erstarrt innehielt anstatt auszusteigen. "Jetzt halten´s ned den ganzen Verkehr auf, junger Mann" grummelte es von weiter hinten. Und von noch weiter hinten: "Was ist es denn für eins? Wehe, es ist kein besonders seltenes!" Gelächter...
Und dennoch verursachte derselbe begnadete Pokemon-Fänger anschließend auf der Treppe, die vom Bahnsteig in den Fußgängertunnel unter den Gleisen führt, doch noch eine echte Gefahrensituation. Wieder blieb er stocksteif stehen und eine junge Frau, die unmittelbar hinter ihm ihr Fahrrad die Treppen herunterhievte, konnte nicht mehr ausweichen und stürzte (ich hatte von vornherein Sicherheitsabstand gehalten^^). Es ist diese völlige Unberechenbarkeit und Selbstvergessenheit der Spieler im Alltag, die das Spiel - nicht völlig zu Unrecht - in der Öffentlichkeit in Verruf bringt.
Da der Zug Verspätung gehabt hatte und ich spät dran war, nahm ich vom Bahnhof aus die U-Bahn Richtung Lorenzkirche. Auf dem Bahnsteig im U-Bahnhof jagte eine der allgegenwärtigen Untergrundtauben (eine echte, kein Taubsi!) vor mir einem Stück Breze hinterher. Ich achtete nicht weiter auf sie, denn normalerweise fliegen die netten Tiere ja davon, wenn man ihnen zu nahe kommt. Nicht aber diese ...
Anstatt aufzufliegen, drehte sie sich unerwartet in Verteidigung ihrer Mahlzeit zu mir um, baute sich vor mir in voller aufgeplusterter Taubengröße auf, und ich kam tatsächlich ins Stolpern, weil ich sie nicht treten wollte. "Da hätten´s jetzt an Pokeball gebraucht, junge Frau" lachte ein Mittsiebziger hinter mir. Donnerwetter, dachte ich mir, anscheinend macht das Spiel wohl auch vor dieser Altersgruppe nicht halt...^^
Gegen 23:00h mussten wir die Lokalität wechseln, da in Nürnberg auch im Innenstadtbereich um diese Zeit die Biergärten schließen müssen. Wir schlenderten über den Hauptmarkt Richtung Museumsbrücke, als wir in Höhe Heilig-Geist-Spital bemerkten, dass unglaubliche Trauben von Jugendlichen in den Schaufensternischen, Ladeneingängen oder ganz einfach auf dem Pflaster der Fußgängerzone campierten. Auf der Museumsbrücke, kaum 50 Meter weiter, hatte an diesem Abend ab 21:00h eine Gedenkveranstaltung zum Bombenabwurf auf Hiroshima stattgefunden, und wir waren zunächst der Meinung, dass die Jugendlichen von dieser Veranstaltung angezogen worden waren. Tatsächlich brannten dort noch Unmengen von Kerzen auf dem Pflaster, und ein einsamer ehemaliger Anti-Atomkraft-Aktivist berichtete zu dieser späten Stunde noch einer sehr kleinen versprengten Gruppe von Zuhörern von den friedlichen Sitzstreiks und Blockaden seiner Jugend. Und da standen wir dann noch ein Weilchen, und ließen die Blicke schweifen zwischen den beiden Gruppen - der kleinen, bei den Gedenklichtern auf der Brücke, und der wesentlich größeren an der Ecke zur Spitalgasse, die sich - wie wir durch Fragen erfuhren - eingefunden hatte, weil dort ein "4er Spot" ist, und "einfach immer Module aktiv sind, voll krass"
Mein Bruder (9 Jahre jünger als ich) beschloss spontan, dass er wohl schon zu alt für diese Welt ist, und wir suchten uns noch einen netten Weinkeller mit solidem Gewölbe, das Handyempfang unmöglich macht, und ließen den Abend dann unter, ähm, philosophischen Betrachtungen ausklingen...^^
Natürlich ist es gerade der Outdoor-Charakter des Spiels, das es so ins Gespräch bringt und so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Man stolpert (und das oft wortwörtlich) an jeder Ecke über Auswirkungen des Spiels, und manchmal wird dabei die Toleranzgrenze der nicht spielenden Mitmenschen schon arg strapaziert - und das nicht nur, wenn die "Bewegung an der frischen Luft" über erntereife Äcker und private Grundstücke führt.