Du setzt den Staat als gegeben voraus (als Finanzbeamter mußt Du das wohl ^^); für die Betrachtung naturgegebener Grundrechte ist es aber hilfreich, vor-staatliche Gesellschaften zu betrachten: Grundrechte gelten sehr wohl von Mensch zu Mensch, denn auch der Staat besteht aus Menschen (Leuten wie Dir halt ^^) und letztendlich ist es immer ein Mensch, der die Menschenrechte eines anderen verletzt: der Henker, der das Lebensrecht des Verurteilten beendet, der Polizist, der die körperliche Unversehrtheit eines flüchtenden Verdächtigen verletzt, der Gefängniswärter, der die Bewegungsfreiheit der Gefangenen einschränkt, und sogar der Finanzbeamte, der die in die Eigentumsrechte der Bürger eingreift und von ihnen verlangt, im Zuge der Steuererklärung ihren Datenschutz aufzugeben.
Du bist ein Psychopath: Das da alles ist nur ein einziger (!) Satz!
Du schreibst sehr viel richtiges in diesem Beitrag. Ich hab für meine Betrachtung der Menschenrechte den Staat natürlich als gegeben vorausgesetzt, weil meine ganze Betrachtung nur innerhalb eines staatlichen Systems funktioniert. Selbstverständlich gelten außerhalb des Staates ganz andere Menschenrechte (was du z. B. weiter unten beschreibst). Menschenrechte sind in nichtstaatlichen Verhältnissen aber nirgendwo explizit mit Bindungswirkung festgehalten und existieren daher auf einer ganz anderen Ebene - nämlich als gesellschaftliche Konvention und sind daher in verschiedenen Kreisen total unterschiedlich, das kann sogar von Familie zu Familie abweichen.
Dass der Staat letztlich auch aus Menschen besteht - ob das jetzt die Bürger sind oder wie du sagst eher die öffentlichen Bediensteten sei mal dahingestellt -, ist natürlich richtig. Die Bindungswirkung der Menschenrechte für das Über-/Unterordnungsverhältnis ist aber enorm wichtig angesichts der Tatsache, dass der Staat das Gewaltmonopol hat (bzw. haben sollte) und infolgedessen theoretisch als einziger überhaupt in der Lage ist, Menschenrechte zu verletzen. Für das Verhältnis der Menschen untereinander gelten die Menschenrechte nicht - dafür sorgt aber hier der Staat durch das StGB dafür, dass nur wenige sich gegenseitig die Köpfe einschlagen.
Gäbe es den Staat nicht, würden die Menschenrechte direkt unter den Menschen gelten, weil es kein Gewaltmonopol mehr gibt, sondern das "Gewaltmultipol" - und da jeder befähigt ist, Gewalt auszuüben, ist jeder an die Grundrechte gebunden.
Alle sind Menschen, die sich dafür entschieden haben, im dienste des fiktionalen Konstruktes "Staat" die Rechte ihrer Mitmenschen zu verletzen.
Aus persönlicher Erfahrung muss ich sagen: Ich setze das Gut eines stabil finanzierten Staates über die Eigentumsgarantie, weil ich hoffe, dass jeder Cent davon am Wende wieder der überwiegenden Mehrzahl der Menschen zugute kommt. Dass das im Moment nicht so ist, weiß ich auch, deswegen bin ich ja nebenbei auch noch politisch aktiv.
Wie schon Spock sagte: "Das Wohl vieler ist wichtiger als das Wohl weniger oder eines Einzelnen."
Es ist interessant, daß Du die Unverletzlichkeit des Eigentums als "minder wichtiges nice to have" einstufst, während einer der 10 Grundsätze der vor-staatlichen 12-Stämme-Anarchie des alten Israel lautete "Du sollst nicht stehlen".
Ich halte das Eigentumsrecht in einer freien Marktwirtschaft zwar für systemisch wichtig - kann aber in Deutschland keinen verfassungsrechtlichen Zwang zum freien Markt erkennen. In der sozialen Marktwirtschaft, die in einigen Bundesländern gesetzlich vorgeschrieben ist (z. B. in Art. 51 S. 1 LV-RLP) sieht das mit dem Eigentumsrecht anders aus: Hier kann es notwendig werden, das Eigentum einzuschränken, z. B. um die Privatisierung der Grundversorgung oder der Infrastruktur zu verhindern, in Bezug auf die Zwangsverstaatlichung von Banken oder um im Katastrophen- oder Notstandsfall eine schnelle Enteignung der Grundbesitzer sicherzustellen (z. B. wäre es sinnvoll, manchen Bauer an der Elbe zu enteignen, um seine Felder jetzt als Ablauffläche für Hochwasser zu nutzen). Sogar die CDU (!) forderte in den Gründungsjahren noch die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien und der Rohstoffe.
Wo wir wieder bei Spock wären. Und was ich von den zehn Geboten halte, hab ich schonmal irgendwo geschrieben.
Es gibt noch andere Ansätze, um Menschenrechte zu begründen - einer davon ist das Konzept des "Selbsteigentums" : Du gehörst nur Dir selbst. Daraus fölgt, daß auch Deine Arbeitskraft nur Dir gehört, und nur Du entscheidest, für wen und zu welchem Lohn Du arbeitest. Ebenso ist alles, was Du mit Deiner Arbeitskraft aus frei verfügbaren Resourcen herstellst, logischerweise Dein Eigentum. Robinson Crusoe konnte sich also auf seiner Insel eine Hütte bauen, die sein Eigentum war, ohne daß irgendein Staat ihm das Eigentumsrecht explizit hätte "gewähren" müssen. Auf diesem Axiom "Dein Körper ist Dein Eigentum (mit dem Du tun kannst, was Du willst, solange Du nicht in das Eigentum eines anderen eingreifst)" kann man eine komplette Philosophie und Ethik der natürlichen Rechte und Freiheiten aufbauen.
Und das klingt sogar wie ein sehr interessanter Ansatz - der im Übrigen auch die Unsinnigkeit der Todesstrafe begründet.
wenn mir das Recht genommen wird, spontan in die freie Natur hinauszuspazieren, ist es mir relativ schnurz, ob mir ersatzweise ein "Recht auf TV" zugesprochen wird (davon hab ich auch in der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" nichts gelesen) - die Öffentlich-Rechtlose Volksverdummung tu ich mir schon lange nicht mehr an.
Das Recht auf TV ist, wie schon gesagt, Bestandteil der Rezipientenfreiheit. Und die steht in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrecht, im Grundgesetz, in der EMRK und überall sonst drin.
Insofern, zu den natürlichen Rechten gehört mehr, als Du meinst, aber verletzt werden diese bei jeglicher Bestrafung ohnehin, daher kann man bestimmte Strafen nicht nur deswegen ablehnen, weil sie "die natürlichen Rechte des Bestraften verletzen" - dann müßte man das Strafrecht und den Staatsapparat als ganzes ablehnen. Strafrecht ist immer willkürlich, in dem Punkt stimme ich Dir zu.
Ich sehe das Strafrecht allgemein kritisch. Man kann aber vor allem entscheiden, ob eine Strafe angemessen ist und ob man sie jederzeit beenden kann (deswegen bin ich gegen die Todesstrafe und gegen Experimente wie "Vergewaltigern die Eier abschneiden"). Außerdem muss man sicherstellen, dass der Vollzug so wenig Grundrechte beschneidet wie möglich. In einer Haft nach meinen Vorstellungen wären alleine das Grundrecht auf Freizügigkeit und auf Eigentum eingeschränkt - es gäbe also nur Türen und die Täter sollten sich (soweit das finanziell möglich ist) an den Vollzugskosten beteiligen.